Borderlands
wie
die Fahrenden bei uns heißen, ein eigenes Gebiet zuzuweisen. Man hatte ein
Grundstück abseits der Hauptstraße gewählt, kilometerweit von sämtlichen
anderen Siedlungen entfernt, dort zwanzig Häuser gebaut, in denen die Traveller
leben sollten, und damit tief reichende Unkenntnis der Bedeutung des Begriffs
»fahrend« bewiesen. Muss man erwähnen, dass die Fahrenden ihre Wohnwagen vor
den Häusern parkten und in ihnen lebten wie eh und je? Allerdings wirkte die
Siedlung wie ein Trainingsgelände für Terroristen, seit irgendwer alles aus den
brandneuen Häusern entwendet hatte, was sich zu Geld machen ließ, und damit ein
hübsches Sümmchen verdient hatte – monatelang hatten die weniger ehrenwerten
Bauunternehmer enorme, völlig illegale Gewinne eingestrichen, indem sie Rohre
und Dachziegel zu Tiefstpreisen aufgekauft und in neuen Häusern verbaut hatten.
Es sei ungewöhnlich, so sagte mir Inspector
Hendry, als ich an jenem Vormittag nach Strabane fuhr, dass die Polizei diesem
Lager einen Besuch abstatten musste – die Traveller legten ihre Streitigkeiten
normalerweise auf ihre Weise bei. An diesem Morgen war das offensichtlich nicht
gelungen.
Aus verschiedenen Zeugenaussagen ließ sich
schließen, dass Johnny Cashell und seine drei Brüder am Vorabend um elf Uhr von
seinem Haus aus zu Fuß zu Dalys Tankstelle in Lifford aufgebrochen waren.
Gerade als die Nachtschicht ihren Dienst antrat, füllte dort jeder einen
Zehnliterkanister mit Benzin. Dann hielten die vier sich bis zwei Uhr dreißig
morgens bei Guinness und Powers Whiskey in McElroys Bar auf. Obwohl die meisten
anderen Gäste in der Kneipe rochen, was die vier Kanister enthielten, fragte
keiner die vier Männer danach oder ließ sonst wie erkennen, dass er sich
darüber wunderte; nicht einmal, als Brendan Cashell an die Theke ging und ein
einziges Päckchen John-Player-Zigaretten mit vier Einwegfeuerzeugen kaufte.
Viele der Stammgäste musterten Johnny mit einer Mischung aus Mitleid und
Argwohn. Niemand erwähnte den Namen Angela, doch manch einer klopfte ihm im
Vorbeigehen auf die Schulter, und einige, darunter der Wirt, gaben ihm einen
aus. Andere waren vorsichtiger, wollten möglicherweise nicht dabei gesehen
werden, dass sie Partei ergriffen hatten, falls sich hinterher herausstellte,
dass Johnny selbst irgendwie in die Ermordung des blonden Mädchens verwickelt
war.
Die Cashell-Brüder gingen die halbe Meile von
Lifford nach Strabane zu Fuß; jeder trug einen Benzinkanister. Gegen drei Uhr
dreißig morgens wurden sie gesehen, als sie an der Stelle, an der die Flüsse
Finn und Mourne in den Foyle münden, die Brücke überquerten. Was sie in der
nächsten Stunde taten, ist unklar, doch um fünf Uhr morgens, als gerade die
ersten grauen Streifen über den Himmel krochen, betraten sie das Lager der
Traveller.
Unverzüglich
begossen sie so viele Häuser und Wohnwagen wie möglich mit dem Benzin, dann
zündeten sie sich mit ihren Einwegfeuerzeugen jeder eine Zigarette und
daraufhin auch die Häuser und Wohnwagen um sie herum an. Danach rannten die
vier Brüder nicht etwa weg, sondern setzten sich auf die wuchtigen Felsblöcke,
die man in die Einfahrt zum Lager gepflanzt hatte, damit keine Wohnwagen mehr
hinzukamen. Johnny hörte teilnahmslos zu, als die ersten Schreie durch das
dünne Metall der brennenden Wohnwagen drangen.
Der Fahrer
eines vorbeikommenden Taxis rief über Funk Polizei und Feuerwehr und
beobachtete, wie Johnny und seine Brüder johlten, als die Fahrenden einer nach
dem anderen schreiend und weinend aus den brennenden Caravans stolperten. Dann
entdeckte Johnny jemanden – einen mageren Jungen, der nicht älter als zwölf
oder dreizehn wirkte und so hellblondes Haar hatte, dass es beinahe weiß
aussah. Johnny brüllte ihm etwas zu. Daraufhin verfolgten er und seine Brüder
den Jungen, der wie ein Hase durch die Sträucher hinter dem Lager und über die
Felder dahinter rannte, der nackte Rücken im Mondschein hell leuchtend.
Es war nicht
klar, wer zuerst begriffen hatte, dass die Cashells das Feuer gelegt hatten,
doch als die Polizei eintraf, waren Johnnys Brüder derart zusammengeschlagen
worden, dass sie nicht mehr zu erkennen waren. Den jüngsten, Diarmuid, hatte
man schleunigst ins Altnagelvin Hospital gebracht. Eine Taxifahrerin hatte
berichtet, sie habe mit angesehen, wie zwei der Lagerbewohner barfuß und mit
nacktem Oberkörper, scheinbar unempfindlich gegen die Winternacht (oder
vielleicht war ihnen auch von den
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