Borderline ein Narco-Thriller
zucken ihm Blitze über die Netzhaut und ein stechender Schmerz durchdringt seinen Kopf. Er spürt, wie sich seine Halsmuskulatur strafft, was von einem quälend brennenden Gefühl begleitet wird.
Da er sich nicht umschauen kann, konzentriert er sich auf den für ihn sichtbaren Bereich vor sich. Viel ist da nicht. Vielleicht einen halben Meter vor ihm läuft ein stählernes Rohr senkrecht nach oben aus dem Blickfeld. Daneben stehen ein mit unzähligen Farbklecksen übersäter alter Eimer, das Gerippe eines abgeschabten Holzstuhls und eine Tonne aus Plastik, die angesichts des über ihre Ränder quellenden Unrats augenscheinlich als Mülleimer dient. Im Hintergrund hebt sich eine Wand aus grauem Wellblech empor. Sie haben ihn in eine Garage gebracht, schätzt Diego. Für einen Augenblick schließt er die Augen.
Da erst vernimmt er die Stimmen hinter sich. Zuerst hört er lediglich einen eintönigen, leise dahingleitenden Monolog. Es klingt wie ein Frage-Antwort-Spiel, bei dem die Antworten jedoch ausbleiben. Diego hört, wie der Mann hinter seinem Rücken auf und abgeht.
Dann vernimmt er einen dumpfen Ton, kurz darauf ein unterdrücktes Stöhnen. Die erste für ihn hörbare Reaktion der anderen Person. Es folgt ein dumpfer Schlag, mit einem anschließenden, jetzt deutlich vernehmbaren Keuchen als Reaktion auf das, was wahrscheinlich ein Tritt gewesen ist. Dann wieder diese monotone Stimme. Und das erste Mal ertönt so etwas wie eine Antwort. Erschrocken erkennt Diego die Stimme, die mühsam und undeutlich etwas erwidert. Es ist Jorge.
Nur hört er sich ganz anders an als vorhin auf der Fahrt zum Flughafen. Jetzt verlassen die Worte in einem undeutlichen, entmutigten Tonfall seinen Mund.
Unter dem Eindruck von Wut und Hilflosigkeit krampft sich Diegos Körper zusammen. Unterdessen geht das Verhör in seinem Rücken in einer einschläfernden Eintönigkeit weiter. Wenn nur dieser gepeinigte Ton nicht in Jorges Stimme wäre! Obwohl er kaum ein Wort versteht, lauscht Diego gebannt dem Dialog, bis dieser abrupt abbricht.
Dann hört er, wie plötzlich Ruhe einkehrt, gefolgt von einem flehenden Krächzen. Erfüllt von einer bösen Vorahnung, hält Diego den Atem an, als er hinter sich einen herzzerreißenden Schrei vernimmt, der rasch in ein kehliges Röcheln und Gurgeln übergeht. Als Diego gleich darauf einen schneidend-schmatzenden Ton vernimmt, kann er sich bildlich vorstellen, was mit Jorge gerade passiert.
Eine scheinbare Ewigkeit klingen die Geräusche in seinem Rücken weiter, während der Mann hinter ihm ab und zu seine Position zu verändern scheint, abwechselnd eine Melodie pfeifend und dann wieder leise fluchend. Erschöpft schließt Diego die Augen, verzweifelt auf der Suche nach einem Ausweg aus der aussichtslosen Lage. Vergeblich.
Erschrocken von dem dumpfen Laut vor seinem Gesicht, reißt Diego die Augen auf, während er im selben Moment spürt, wie Spritzer einer klebrigen Flüssigkeit seine Stirn treffen. Es ist ein Blick in die Hölle. Die Hölle in Form einer Ansammlung von blutigem Fleisch, welche er erst nach und nach als Gesicht erkennt. Seine durch die schräge Kopflage begünstigte schlechte Perspektive mag eine Erklärung für die verzögerte Wahrnehmung sein. Eine weitere ist sicher der Zustand des Gesichts, das aussieht, als hätte es einen Zusammenprall mit einem wild gewordenen Baseballschläger gehabt. Wo vorher Mund, Nase und Augenwaren, liegt jetzt bloß eine unförmige Masse aus verkrustetem Blut und den Knochensplittern. An der Stelle, an der der Hals in die Schulterpartie übergehen sollte, befindet eine Blutlache auf dem staubigen Betonboden.
„Na, auch Lust darauf?“ Ein höhnisches Kichern begleitet die in Diegos Ohr geflüsterte Drohung. Er würgt eine Mischung aus Galle und Mageninhalt über die Lippen, als er im selben Moment von kräftigen Händen gepackt und hochgerissen wird. Diego wirft einen letzten Blick auf Jorges abgetrennten Schädel. Dann stülpen sie ihm einen Sack über den Kopf.
Diego spürt, wie ihm eine Nadel in den Oberarm gestochen wird. Ein Atemzug, dann klinkt sich sein Bewusstsein aus.
So bemerkt er nicht, wie Javier Peredo den Raum betritt und einen Blick auf die blutige Szene wirft. „Wann ist er wieder fit?“
„Vielleicht in zehn, zwölf Stunden.“
„Sägt ihm einen Finger ab. Egal welchen. Ich will, dass er an einem Tisch sitzt, wenn er aufwacht. Die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Und vor ihm liegt der Finger.“
Die Männer
Weitere Kostenlose Bücher