Bordeuax
irgendwas
dazwischen, und ich konnte nicht. Das ist eine Ewigkeit her. Ich kann dir ein
Flugticket kaufen. Wohin du willst. Wo es schön warm ist.«
»Würdest du mitkommen? Du hast doch
jetzt frei.«
»Ich kann jetzt nicht weg«,
entschuldigte ich mich. »Es gibt gerade viel aufzuräumen in meinem Leben.«
»Das ist wirklich lieb von dir,
Frankie, aber ich möchte lieber nicht. Hast du schon gesehen? Die Narzissen
blühen gerade. Es ist die einzige Zeit im Jahr, wo ich den Garten richtig
genießen kann, und wenn ich jetzt wegfahren würde, wären sie bei meiner Rückkehr
schon wieder verblüht.«
Kurz darauf verließ ich das Haus und
schlenderte die anderthalb Kilometer zu meiner Wohnung zu Fuß zurück. Es war
Anfang April, und ein Nordostwind brachte eisige Hagelschauer mit sich, die auf
die Stadt niedergingen. Mary hatte recht, die Narzissen blühten schon seit zwei
Wochen, es war Frühling. Ich schlug den Mantelkragen hoch und wandte mein
Gesicht zur Seite, um den stechenden Hagelkörnern auszuweichen.
Mein Handy klingelte. Ich erkannte
die Nummer, es war Francis - das heißt, Francis' Krankenschwester, die von
Caerlyon aus anrief.
»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Mr
Black heute Nachmittag eingeschlafen ist, Mr Wilberforce. Er hat länger gelebt,
als wir erwarten durften.«
Ich bedankte mich dafür, dass sie
mich angerufen hatte, und steckte das Handy wieder ein. Während ich weiter die
Straßen entlangging, durch den schimmernden Matsch der schmelzenden Hagelkörner,
und die Böen über mir hinwegzogen, klarte es auf und ein blasses Licht erhellte
den Himmel im Osten. Caerlyon gehörte jetzt mir. Der Wein gehörte jetzt mir.
Das war nun nicht mehr zu ändern.
Ich hatte einen Freund verloren,
aber einen Weinkeller gewonnen.
»Ich bin die Auferstehung und das
Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da
lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben.« Während der Pfarrer
diese Worte psalmodierte, sah ich mich in der Kirche um; von Catherine und Ed
keine Spur.
Der Trauergottesdienst fand in St.
Oswald statt, einer kleinen Kirche germanischen Ursprungs, knapp drei Kilometer
weiter bergaufwärts von Caerlyon. Im Innern, auf die rauen Steinwände gesetzt,
die Blöcke eher grob behauen statt geschnitten, Tafeln aus Messing oder Marmor,
die vom Leben und Sterben von Generationen der Familie Black kündeten. Manche
waren so verblasst, dass sie kaum zu entziffern waren, Daten und Inschriften
allesamt in römischen Ziffern und auf Lateinisch; die Tafeln neueren Datums
kündeten von Soldaten, die an der Nordwestgrenze Indiens oder an der Somme
gefallen waren, einem oder zwei Richtern und hier und da einem Reverend Black.
Mit welchen Worten würde wohl Francis' gedacht? Als Weinliebhaber? Wie würde
das auf seiner Grabplatte aussehen? Auf jeder Tafel, ausnahmslos, war das Familienmotto
eingeritzt: »Resurgam« - einigermaßen passend, unter den Umständen.
Eine Tür quietschte; ich drehte mich
um und sah Catherine in den Kirchenraum schlüpfen. Sie kam ohne Begleitung. Sie
sah sehr blass und sehr schön aus, in einen Pelzmantel gehüllt, auf dem Kopf
ein schwarzer Hut mit Schleier. Ich drehte mich wieder um und hörte dem
Priester zu.
»Sie gehen daher wie ein Schemen und
machen ihnen viel vergeblicher Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es
kriegen wird.«
Ein paar Minuten später stand Teddy
Shildon auf, um die Lesung aus den Korintherbriefen vorzutragen. Jetzt war ich
mit den Gedanken ganz bei Catherine und folgte nicht mehr den Worten der
Lesung. Konnten wir nach dem Gottesdienst miteinander sprechen? Würde sie mir
das überhaupt gestatten? War sie schon verheiratet? Der Sturm draußen hatte
zugelegt, ein böiger Wind heulte um die Kirche, irgendwo klapperte eine Tür.
Teddy hob die Stimme, um sich verständlich zu machen, dann ließ der Wind
wieder nach, so dass seine Stimme in der jetzt stillen Kirche aufpeitschend
wirkte. »Habe ich nur um menschlicher Dinge willen zu Ephesus mit wilden Tieren
gefochten, was hilft's mir? Wenn die Toten nicht auferstehen, dann >lasset
uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot!<«
Wenig später war der Gottesdienst
vorbei. Er war sehr schlicht, keine Gedichte, keine Predigt, keine Gedenkreden.
Francis hatte in seinem letzten Willen darauf bestanden, dass alles kurz und
knapp gehalten werden sollte.
Dann kamen die Sargträger, unter
ihnen Eck. Ich glaube, die anderen waren alle Mitarbeiter
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