Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
Vom Netzwerk:
heute Morgen viel zu tun.«
    »Dann übergib eben Steve mehr
Arbeit«, sagte Andy.
    Steve war der Chef der
Programmierabteilung, aber er war kein so guter Programmierer wie ich.
    »Hör zu, Wilberforce. Du musst dich
der Wirklichkeit stellen, hier geht es nicht um irgendein Computerprogramm. Wir
haben einen tollen Laden aufgebaut, aber mit zehn Millionen Umsatz sind wir
immer noch eine Klitsche. Um in unserem Markt zu überleben, müssen wir drei-
bis viermal so groß sein. Wir haben jetzt das Know-how, um eine
Aktiengesellschaft zu gründen. Mit einer Aktiengesellschaft können wir neues
Kapital auftreiben und einige unserer kleineren Konkurrenten aufkaufen. Wir
beide sind bis jetzt ganz gut gefahren, und ich habe dir noch nie einen
schlechten Rat gegeben. Vertrau mir. Wenn wir an die Börse gehen, stehen wir anders
da, und ich weiß, welche Firma wir kaufen könnten und wie viel das kosten
würde. In ein, zwei Jahren könnten wir steinreich sein.«
    Ich drehte mich in meinem
Schreibtischstuhl so, dass ich Andy gegenübersaß.
    »Aha«, sagte er, »beim Thema Geld
hörst du mir endlich zu.« Er lachte wieder, Fältchen bildeten sich in den
Augenwinkeln. Aber es war ein saures Lachen.
    »Andy«, sagte ich, »ich weiß nicht,
ob ich Lust habe, noch mal zehn Jahre zwölf Stunden am Tag zu arbeiten. Ich
hätte nichts dagegen, es ein bisschen ruhiger angehen zu lassen.«
    »Dann rück auf in den Vorstand. Lass
mich die Arbeit machen. Ernenn mich zum Hauptgeschäftsführer. Es ist ja
praktisch das, was ich jetzt schon mache. Auf jeden Kunden, mit dem du dich
triffst, kommen bei mir zehn. Ich will dich nicht kritisieren, aber es ist nun
mal so. Rück auf in den Vorstand, streich die Dividende ein, arbeite nur noch
halbtags, dann hast du mehr Zeit für deine schicken Freunde oben auf dem
Berg.« Andy lachte, um seinen Worten die Schärfe zu nehmen.
    »Was hast du gegen meine Freunde? Du
kennst sie doch gar nicht.«
    »Es sind bestimmt herzensgute
Menschen. Entschuldige, dass ich sie erwähnt habe. Ich weiß nicht, wie ich
darauf gekommen bin, außer, dass du mittlerweile mehr Zeit mit ihnen verbringst
als hier unten. Aber lass uns nicht vom Thema abschweifen. Ich möchte deine
Zustimmung, damit ich einen richtigen Plan aufstellen kann, wie wir die Firma
an die Börse bringen wollen.«
    Ich sagte eine Zeit lang nichts. In
einer Hinsicht hatte Andy tatsächlich recht: Wir mussten etwas unternehmen -
entweder unsere Firma zum Verkauf anbieten oder an die Börse gehen. Sie hatte
genau die falsche Größe, zu groß für ein Nischendasein, zu klein, um mit den
Big Playern zu konkurrieren.
    »Gut, ich überlege es mir«, sagte
ich.
    Andy schüttelte den Kopf. »Dann tu
das«, sagte er und verließ mein Büro. Den restlichen Tag über wechselten wir
kaum ein Wort mehr miteinander. Ich hatte Andy noch nicht darüber informiert,
dass in meinem Schreibtisch zu Hause ein Brief von einer Investmentbank lag,
ob ich mir vorstellen könne, mein Unternehmen an einen ungenannten
strategischen Investor aus der Branche zu verkaufen.
    Abends fuhr ich wieder den Berg
hinauf nach Caerlyon. Die Einfahrt lag still und verwaist, im ganzen Haus
brannten keine Lichter, und im Gemeindezentrum Gateshead war nicht mehr los
als sonst auch. Die Lampe im Hof, über der Eingangstür zu Francis' Laden, war
eingeschaltet. Ich stellte meinen Wagen ab und ging hinein. Drinnen brannte
auch Licht, aber von Francis war nichts zu sehen.
    »Jemand da?«, rief ich.
    Von weitem kam Francis' Antwort:
»Wilberforce? Wenn du es bist, komm runter in die Gruft. Wenn nicht, dann hau
ab.«
    Ich ging nach unten. Francis hielt
vor sich ein Klemmbord, an dem ein Stapel zerknitterter Zettel befestigt war.
Seine Brille saß auf der Nasenspitze. Er überprüfte den Inhalt eines Weinregals
und hakte die Posten in der Liste auf dem Klemmbord ab. Campbell saß auf einer
Kiste Wein in der Nähe und leckte sich die Pfoten.
    »Was machst du denn da?«, fragte ich
Francis. Ich hatte ihn vorher noch nie Inventur machen sehen. Er verließ sich
auf sein Gedächtnis, das ihn unbeirrbar in die entferntesten Winkel der Gruft
führte, zu einer Kiste Château Haut-Bailly, die unter einem halben Dutzend
anderer Weinkisten begraben sein konnte. Er blickte auf, und ein Lächeln
erhellte sein Gesicht. Wie er jetzt so unter den Gewölbebögen stand - die
Vertiefungen der Steindecke im Dunklen, der ganze riesige, düstere, geheimnisvolle
Raum nur durch schwache gelbe Birnen erhellt, mit Metallfassungen

Weitere Kostenlose Bücher