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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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die die Flussmündung vor der scharfen Brandung der
Nordsee schützen, fing Catherine wieder an zu sprechen.
    »Es tut mir leid, was neulich
passiert ist.« Sie war stehengeblieben und hatte sich mir zugewandt. Der Fluss
hinter ihr war wie eine Glasscheibe. Kein Windhauch ging. Vom Wasser stieg feiner
Nebel auf, der die Kaimauern und Kräne flussaufwärts verhüllte und sie in
verschwommene Gestalten von unbestimmter Bedeutung verwandelte.
    »Was ist denn passiert?«
    »Wir ... Bring mich nicht in
Verlegenheit. Du weißt, was passiert ist. Ich habe mir nichts dabei gedacht.
Ich hatte mich nur für einen Moment vergessen. Du warst so freundlich und gut
zu Francis. Ich konnte nicht anders.«
    Ich dachte an meinen Entschluss,
Francis noch am selben Abend mitzuteilen, dass ich von meinem Versprechen
abrücken müsste, aber erzählte ihr davon erst mal nichts.
    Catherine setzte erneut an. Aus
irgendeinem Grund wirkte sie, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.
Ihr Gesicht war angespannt und blass. Der selbstsichere, unterhaltsame Mensch,
den ich kennengelernt hatte, war vorerst abgetaucht. »Es ist nämlich so,
Wilberforce ... Ich werde Ed heiraten, das war mir immer klar. Und das war auch
Ed immer klar. Meine Eltern schwärmen für ihn. Meine Freunde sind alle der
Meinung, dass ich ihn heiraten sollte. Meine Mutter sehnt sich nach dem Tag, an
dem ihre Tochter endlich Eds Frau wird, mit Titel und dazugehörigem Landsitz.«
    »Und was willst du, Catherine?
Willst du einen Titel und einen Landsitz?«, fragte ich sie.
    »Ich finde, das ist alles
zweitrangig gegenüber der Frage, ob man die Person, die man heiratet, liebt
oder nicht. Bitte, Wilberforce, stell mir keine weiteren Fragen. Hör einfach
nur zu.«
    Doch dann sagte sie eine ganze Weile
lang nichts. Sie wollte mir etwas mitteilen, das war deutlich zu spüren, aber
es fehlten ihr die Worte. Schließlich fasste sie neuen Mut.
    »Ed hat mir einen Antrag gemacht,
gleich nachdem du gegangen warst. Aus dem Grund war er überhaupt gekommen. Es
hatte nichts damit zu tun, dass er sich Sorgen machte, ich wäre wegen dem
bisschen Schnee von der Außenwelt abgeschlossen oder so. Du warst gerade aus
dem Haus, da sagte er mir, sein Vater würde bald sterben. Der arme Simon
Hartlepool. Er hat wirklich alle Krankheiten, die man sich vorstellen kann.
Das kommt davon, wenn man Raubbau an seiner Gesundheit treibt. Ed ist nicht
gerade vor mir auf die Knie gefallen, er stand einfach nur da und sagte:
>Mein Vater stirbt. Ich möchte, dass wir heiraten, bevor er von uns geht. Es
würde ihm viel bedeuten.<«
    »Und was ist mit dir?«, wiederholte
ich. »Willst du Ed heiraten?«
    Obwohl ich die Worte ganz ruhig
ausgesprochen hatte, innerlich bebte ich vor Angst, was sie als Nächstes sagen
würde. Wenn sie sagte, es sei ihr Herzenswunsch, Ed zu heiraten, dann wäre die
Sache beendet. Beendet? Genau genommen hatte sie noch gar nicht angefangen.
Mein Herz pochte, als stünde ein Gespenst vor mir. Allerdings sah Catherine
auch wirklich gespenstisch aus. Sie war dermaßen blass, dass ich befürchtete,
sie könnte gleich in Ohnmacht fallen. Ich nahm ihren Arm und führte sie zu einer
Bank in der Nähe. Wir setzten uns und sahen auf die spiegelglatte Wasseroberfläche.
    »Danke«, sagte sie. »Ich dachte
schon, mir würden jeden Moment die Knie weich.«
    »Was hast du Ed gesagt?«, fragte
ich. Ich entschuldigte mich nicht für meine Neugier. Ich glaube, sie hatte die
Verzweiflung in meiner Stimme herausgehört.
    »Ich habe ihm gesagt, dass ich es
mir erst noch überlegen will. Daraufhin wurde er ziemlich pampig. Die
Vorstellung, es könnte jemanden geben - und dann auch noch mich, ausgerechnet
mich -, der sich ihm nicht gleich in die Arme wirft, diese Vorstellung kann er
nicht ertragen. Warum sollte er auch? Er hat alles, was sich ein Mädchen
wünscht. Ed ist sehr liebenswürdig, wenn auch manchmal ein bisschen
egoistisch. Du magst ihn doch auch, oder?«
    Wann würde Catherine endlich meine
Frage beantworten? Mit zusammengebissenen Zähnen presste ich hervor, wie nett
ich Ed fände, und dann wiederholte sie: »Es ist nämlich so, Wilberforce ... Es
hätte sich etwas entwickeln können zwischen dir und mir. Aber es ist nicht
möglich. Mein Leben ist mir vorgezeichnet. Es würde meinen Eltern das Herz
brechen, und dem alten Simon Hartlepool, und besonders würde es Ed verletzen,
wenn ich jetzt plötzlich meine Meinung änderte. Das tut man einfach nicht. Man
tut nichts Unerwartetes. Das

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