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Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Titel: Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Meyer zu Kueingdorf , Michel Ruge
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totales No-Go. Dass man die Ex-Freunde seiner Freundin kennenlernte (wie das heute der Fall ist), das war unvorstellbar. »Quatsch keine Olle an, wenn sie schon einen Macker hat«, war eine goldene Regel, an die man sich selbstverständlich nicht immer hielt. Dieses ganze Machogehabe habe ich so sehr verinnerlicht, dass mit Sicherheit eine Therapie notwendig wäre, um mich zu einem verständnisvollen Mann zu machen. Allerdings hatten auch die Frauen, die in unserer Welt zu Hause waren, diese Regeln zu ihren Regeln gemacht. So wie Claudia eben.
    Wer die Regeln nicht befolgte, bekam Haue. Wie Andi, der sich nicht unter Kontrolle hatte, wenn es um Frauen ging. In den Wallanlagen stellten wir ihn. Er bekam von einem von uns eine ordentliche Faust in den Magen. Und weil er sich dabei so nett bückte, das Knie mehrmals ins Gesicht. Wir schauten zu. Blut tropfte auf den Boden. Der ein oder andere Zahn fiel heraus. Wir mussten zuschauen. Auch das gehörte zum Prinzip, nach dem die Gangs funktionierten. Das Abstrafen sollte anderen Angst machen. Andis Nase war schief. Er blutete wie ein abgestochenes Schwein. Er wälzte sich am Boden, hustete und fing an zu heulen. Das war nicht nett, das mit Andi. Aber es hätte noch schlimmer für ihn kommen können. Es war die Vorbereitung auf das Geschäft im Milieu, denn da galten die gleichen Regeln. Machte man die Frau eines anderen Luden an, gab’s Haue, oder man zahlte ’ne Abstecke, also ein Ablösungsgeld, wenn man sie denn dann auch tatsächlich behalten wollte.

    Je älter wir wurden, desto stärker wurde der Wunsch, Schotter zu verdienen. Wie die Kiezjungs, die unser Vorbild waren. Auf Schule und Lernen hatten wir ohnehin keine Lust. Und das glamouröse Leben, das wir uns ausmalten, musste finanziert werden. So war es nur folgerichtig, dass wir uns immer mehr Gedanken machten, wie wir an Geld kommen könnten. Eines Tages kam Tuncay, einer der Champs, mit einem nagelneuen Mercedes angerauscht. Wir wunderten uns, woher er die Kohle hatte für den Schlitten. Zusammen mit ein paar Freunden hatte er herausgefunden, wie man Spielautomaten manipulierte. Man müsse, erzählte er, einfach ein Zwei-Mark-Stück in der Geldausgabe immer wieder hochwerfen. Der Automat würde das Geld gutschreiben, bis der Automat leer sei. Dabei müsse einer Schmiere stehen, während er den Automaten bearbeitete. So klapperte Tuncay mit drei, vier Leuten die Spielhallen ab und machte Tausende. Das funktionierte eine ganze Zeit, bis die Automatenhersteller eine Vorrichtung einbauten, die den Trick verhinderten. Aber da hatte Tuncay bereits seinen Mercedes.
    Es lag natürlich nahe, ins Milieu einzusteigen. Meine Freunde Andy und Tom hatten bereits Frauen, die für sie liefen. Sie verdienten Tausende damit. Einer, den wir nur »den Griechen« nannten, fuhr plötzlich einen fetten Mercedes. Der dicke Grieche, der auch einer meiner Trainingspartner war, übernachtete bei seiner neuen Freundin, und morgens stand plötzlich ein goldener nagelneuer Mercedes 500 SEL vor der Tür, als wäre er vom Himmel gefallen. Der Mercedes war ein Geschenk für ihn, von ihr. Es war ein Geschenk, für das sie eine gewisse Gegenleistung erwartete. Er sollte sie dafür abkassieren. Täglich. Und er sollte aufpassen, das kein anderer sie abkassierte oder sie angrub. Der dicke Grieche war nicht sonderlich interessiert an dem neuen Job, aber der goldene Mercedes war natürlich ein gutes Argument. Zusammen mit dem Griechen fuhren wir im goldenen Mercedes umher. Über den Kiez und überall dort, wo uns die Leute sehen konnten. Es konnte also auch passieren, dass man zum Luden gemacht wurde. Einfach so.

19 Fließband oder Strich?
    E s näherte sich auch der Schulabschluss und damit die drängende Frage: was machen? Kalle und meine Mutter wollten, dass ich in die Lehre ging. Geld ranschaffen. Egal, wie. Aber mir grauste es davor, so zu enden wie sie – wie Zombies. Ich war noch jung und einer der wenigen, der keine Geschäftsidee hatte. Die meisten meiner Freunde waren schon im Milieu. Es lag nahe, dort einzusteigen.
    In meinem Freundeskreis haben wohl alle erwartet, dass ich irgendwann mal Zuhälter werden würde. Ich rannte schließlich auch rum wie ein Hartgeldlude. So bezeichnete man die Luden der untersten Kategorie. Mittlerweile tauschte ich mein Gang-Outfit immer häufiger gegen die Klamotten ein, die man auf dem Kiez trug. Ich wollte dem Kiez auch äußerlich näher kommen. Auch wenn mir meine Boxerstiefel, die Bomberjacke und

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