Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)
klar war, dass sie für mich anschaffen ging, trennte ich mich. Ich war enttäuscht, dass sie mir nicht von Anfang an reinen Wein eingeschenkt hatte.
Ich traf mich mit meinem Freund Andy. Er konnte meine Entscheidung, Lydia nicht für mich laufen zu lassen, nicht verstehen. In einem Bistro auf der Reeperbahn versuchte er, mir das Angebot doch noch einmal schmackhaft zu machen.
»Ey, Michel, Aller! Das musst du dir überlegen. Das ist dein Einstieg. Das ist geiler, als am Fließband zu schuften.« Dabei machte er eine Bewegung, als würde er Hebel an einer Maschine umlegen. »Denen macht das doch Spaß. Ficken und wichsen.« Diesmal machte er eine Bewegung, als würde er sich einen runterholen. »Wir müssen nur abkassieren und leben. Wir machen den ganzen Tag Sport und gehen in die Spielhalle daddeln. Abends wird Party gemacht.«
Ich konnte es einfach nicht. Ich hatte mich verliebt, ein bisschen zumindest.
Andy schüttelte den Kopf. »So eine Chance bekommst du nicht wieder, Aller!«
Andy hatte schon zwei Frauen für sich laufen. Wir trainierten zusammen. So hatten wir uns kennengelernt. Ich kannte seine Frauen. Jeder kannte sie. Sie sind in unserem Viertel aufgewachsen. Andy flirtete ständig mit irgendwelchen Frauen. Er war ehrgeizig und eifrig bei der Sache. Er wollte ein erfolgreicher Lude werden. Andy trug wie immer eine perfekt sitzende Föhnwelle, dazu sein tadelloses Zuhälter-Outfit. Und er packte nun seine schönste Ludenrhetorik aus. »Der Job ist wirklich leicht. Und du siehst gut aus, bist stark, bist frisch. Was sollen die Mädchen denn machen, wenn sie nur einen Hauptschulabschluss haben? Du gibst ihnen eine Perspektive, ein besseres Leben. Und schlafen tun die gar nicht mit den Freiern. Die klemmen den Schwanz zwischen die Beine. Das merken die Freier gar nicht.«
»Aber seelisch gehen die doch zugrunde«, hielt ich dagegen.
»Quatsch, Aller! Seelisch gehst du am Arsch, wenn du einen Chef hast, der dich quält. In einem Job, der dir nicht gefällt. Wenn du so eine Scheiße dein ganzes Leben machst, gehst du zugrunde.«
Andy legte sich ordentlich ins Zeug. Aber überzeugen konnte er mich nicht. Und Spielhallen waren eben nicht meins.
»Ich weiß nicht, Andy. Ich verlieb mich immer gleich.« Das war die Wahrheit. Ich war ein Träumer, wenn es um Frauen ging.
»Du bist zu weich, Michel!« Andy legte seine Hand auf meine Schulter. »Außerdem! Du brauchst ’ne richtige Gang. Nicht so eine wie deine Schläger. Eine mit Zukunft. Wir brauchen alle unsere Lobby. Wie in der Wirtschaft.«
Wir tranken aus und schauten durch die Fenster aufs abendliche St. Pauli. Es regnete.
»Hallo, Andy! Siehst gut aus.« Eine große, schlanke Brünette stand plötzlich vor uns. Offensichtlich eine Freundin von Andy. Der begrüßte sie mit einem Kuss. Dann setzte sie sich und erzählte, wie geil sie St. Pauli fand. Vor allem das Shoppen und das Feiern.
»Wenn du mal ’ne Freundin hast, Michel. Dann sag Bescheid. Wir gehen dann richtig mit ihr aus und machen einen drauf. Vielleicht will sie ja auch anschaffen gehen.«
»Gehst du denn anschaffen?«
»Ich? Nee!« Sie sagte das so, als hätte ich eine völlig abwegige Frage gestellt. »Ich bin nur dafür da, um mit den Mädels auszugehen und ihnen zu erzählen, wie geil es mit den Jungs ist und was ich mir alles leisten kann.«
»Das ist dein Job?«, fragte ich entgeistert.
»Na ja. Ich teaser die Mädchen an. Wir gehen ’ne Woche zusammen aus, und die werden heiß gemacht. Ist besser als kein Job, oder?« Sie sah mich an. »Eigentlich haben es die Mädels doch nicht schlecht.«
»Warum machst du es dann nicht selbst?«
»Mich hat noch keiner gefragt.« Sie lachte laut auf. »Einer muss denen doch erzählen, wie geil der Job ist. Wenn du ’ne Woche mit den Jungs feierst, in den dicksten Autos mitfährst, in den schicksten Läden shoppen gehst und in den teuersten Hotels pennst. Das klappt immer. Die gehen dann alle anschaffen. Zeig mir eine, die dem widerstehen kann. Ich dreh sie dir in ’ner Woche um.«
Sie machte das gut, wie ich fand, selbstbewusst, überzeugend. Aber ich zögerte, ihr wirklich zu glauben.
»Michel! Die Mädels stehen auf Macker. Wenn so einer in ’ne Disko kommt, alle drehen sich nach dem um. Aus Respekt. Der lässt die Korken knallen. Das lässt keine Frau trocken. Dann will jede mit dem zusammen sein.« Ihr Blick hatte mich fixiert. »Warum machst du das nicht auch? Du siehst gut aus, siehst stark aus. Bring doch mal eine mit. Ich
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