Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)
red mit der. Mach ich für dich umsonst.«
All das war mir nicht neu, wie das funktionierte mit den Nutten. Aber es so unverblümt aus ihrem Mund zu hören ließ mich stutzen. Es klang so organisiert, so nüchtern. Ich war nicht so naiv zu glauben, dass das Geschäft nicht aus gewissen Strukturen bestand. Ich war auch nicht so naiv zu glauben, dass die Frau, die mir das jetzt erzählte, rein zufällig gekommen war. Wenn ich Mädchen anschleppe, dann bin ich die im Nu wieder los, das wusste ich. ’ne Lobby. Das klang so solide, aber in diesem Business war sich jeder der Nächste, und ich war gut zum Ranbringen, das spürte ich. Ich schwieg, starrte auf mein Glas, während sich Andy und seine Freundin über das Geschäft unterhielten.
Ein paar Tage später lud mich mein Freund Tom ein, Manni kennenzulernen. Manni war ein gefürchteter Schläger. Früher hatte er mal als Schlachter gearbeitet, nun war er Zuhälter. In seiner Wohnung saß mir Tom gegenüber, in knallengen Jeans, die Beine breit auseinandergestellt, so als wolle er mir zeigen, wer die dicksten Eier von uns beiden hat. Die Wohnung war erstaunlich bürgerlich eingerichtet. Seltsam, dass sie gerade die zu imitieren schienen, die sie eigentlich nicht ausstehen konnten. Aber wenn es um guten Geschmack ging, hätte ich auch keinen St.-Pauli-Luden um Rat gefragt.
Manni hatte ordentliche Muskeln und trug eine fette Rolex. Er hatte seinen Blick wie einen Laserstrahl auf mich gerichtet. Es war dieser typische Checkerblick, mit dem dich die Luden von einer Sekunde auf die andere analysierten, in dich hineinschauten, deine Schwächen ausloteten. »Michel!« Manni hatte eine dunkle Stimme. Er machte eine lange Pause. »Tom hat seine Freundin an den Start gebracht. Er hat mir von dir erzählt. Er mag dich. Und jetzt wollte ich mir mal ansehen, was du für einer bist.« Manni legte wieder eine Pause ein und trank einen Schluck Wasser. Ich wusste: Jetzt würde er etwas Wichtiges sagen. »Tom meinte, du willst deine Freundin mal bei mir vorstellen. Und wenn du das willst, Michel, dann schau ich sie mir mal an.«
Tom hatte gelogen. Natürlich wollte ich meine Freundin nicht diesem schmierigen, stillosen Hartgeldluden vorstellen. Im schlimmsten Fall würde sie dann für den anschaffen. Im weniger schlimmen Fall würde sie sich von mir trennen. Ich war wütend, ließ es mir aber nicht anmerken.
»Ach so«, murmelte ich. »Das hat Tom gesagt?« Ich nahm Tom ins Visier.
»Was? Ach so. Nich oder wie?«, stammelte der nur. Tom wusste, wie man andere manipulierte. Ich wusste nicht, wie ich auf dieses Angebot, das mich nicht die Bohne interessierte, reagieren sollte. Also rettete ich mich in die Unbeholfenheit. »Da bin ich jetzt nicht so drauf vorbereitet.« Tom und Manni sahen sich an und lachten plötzlich brüllend los. Sie klopften sich auf die Schenkel.
»Reingefallen«, rief Tom. »Na! Jetzt hast du ’nen Ködel in der Hose, was?«
Sie hatten mich verarscht. Erst kam ich mir blöd vor, von diesen beiden Luden derart ausgezogen worden zu sein. Aber dann atmete ich auf und lachte mit.
»Nix für ungut, Michel«, sagte Manni. »Deine Frau ist deine Frau. Das versteht jeder. Und wenn dir einer doof kommt, dann haust du ihm einen vor den Latz.«
Ich war erleichtert. Manni holte ein Tütchen mit weißem Pulver aus seiner Jackentasche. Er schüttete eine Prise auf den Couchtisch, zog ein paar Linien mit einer Rasierklinge.
»So, jetzt entspannen, Michel! Willst du?«
»Nee. Lass gut sein, Manni. Ist nix für mich.«
Tom und Manni zogen sich genüsslich einen durch und lehnten sich zurück. Es war das erste Mal, dass ich sah, wie einer meiner Freunde Drogen nahm. Die Drogen, der Zündstoff des Wahnsinns, der in St. Pauli umging, hatte uns erreicht. Dieses Bild der beiden, die langsam draufkamen, widerte mich an. Innerlich distanzierte ich mich schlagartig von Tom. Ich saß nun mit zwei Fremden in dieser geschmacklosen Wohnung, mit zwei Typen, die das Gegenteil meines Ideals waren. Ich wollte nur raus – raus aus meiner Haut, raus aus dieser Wohnung.
»Ich muss los, Jungs! Zum Sport!« Ich stand auf.
»Was’n für’n Sport?« Manni starrte mich mit leerem Blick an.
»Kung-Fu bei Dacascos.«
»Geil, Michel«, grunzte Manni wie ein paarungsbereiter Elch. »Da hab ich auch Bock drauf.«
Ich starrte ihn an. Der sah wirklich aus wie eine Comicfigur. Viel zu enge Jeans, die langen blonden Locken verdeckten das sonnenbankgebräunte Gesicht. Auch seine dicke
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