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Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Titel: Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Meyer zu Kueingdorf , Michel Ruge
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herauskristallisierten und sich mit der Szene vermischten, die Mitte der Achtziger den Kiez für sich entdeckte. Wir gingen ins »City Bendula« und ins »Sky« auf dem Spielbudenplatz. Oder in den Crêpeladen, ins Bistro oder ins »Top Ten« auf der Reeperbahn. Für die Champs waren auch die »Sheila Bar« und der »Club 88« angesagte Treffpunkte. Als Teenager mussten wir irgendwie an den Einlasskontrollen vorbei. Damit ja keiner auf die Idee kam, uns nach dem Ausweis zu fragen, machten wir die ernsthaftesten und erwachsensten Mienen, die man sich nur vorstellen kann. Drinnen angelangt, war ich bemüht, einen besonders geschäftigen und gehetzten Eindruck zu machen. Das gehörte zum Ritual. Alle Jungs standen links an der Wand und beobachteten die Tanzfläche. Einige wippten im Rhythmus der Musik mit dem Kopf, andere machten leichte Tanzbewegungen. Aber alle gaben sich geschäftig. Ich kam rein und gab dem Ersten die Hand. Nach typischer Gangmanier hatten wir unsere spezielle Begrüßung. Als Erstes nahmen wir den Daumen, dann krallten wir unsere Hände ineinander, und dann folgte der normale Handshake. Als wäre ich auf der Flucht, gab ich jedem Einzelnen (man kannte sich) die Hand. War man beim Letzten angekommen, stellte man sich ebenfalls in die Reihe an der Wand, schaute auf die Tanzfläche und wippte mit dem Kopf. Das war der Moment, in dem alle Eile verflog. Die großen Jungs hatten ihre Tische oder standen an der Bar.
    Während die anderen alle im Milieu waren, schien ich der Letzte einer Generation von Träumern zu sein, die mit Idealismus und Schwärmerei das Leben in den Gangs gelebt hatte. Ich begann mir eine neue Welt zu suchen, in der ich meine Sehnsucht leben konnte. Meine Lust nach Leben hatte gelitten, aber ich war immer noch hungrig, und ich war auf der Suche.

    Es kam nur noch selten vor, dass Fritz und ich unsere alte Leichtigkeit spürten. Dieses Gefühl, das uns zusammengebracht und uns zu Freunden hatte werden lassen. Ich traf mich immer seltener mit ihm, weil ich fürchtete, er könnte wieder durchdrehen. Diesmal war er halbwegs nüchtern. Ihm gefiel mein neues Gentleman-Outfit. Ich trug eines dieser Jacketts mit hochgekrempelten Ärmeln, wie sie damals in Mode waren, dazu ein T-Shirt, eine Leinenhose und leichte Schuhe – eine Mischung aus Sonny Crockett und Bryan Ferry. »Aller! Du siehst richtig gut aus. Als kämst du aus Eppendorf.« Wir lachten. Es war wie in alten Zeiten. Statt in die Schule zu gehen, liefen wir zur Alster, um mein neues Outfit spazieren zu führen. Es war Spätsommer. Ein guter Tag. Die Luft war warm, die Kleider der Frauen luftig.
    Es dämmerte bereits, als wir nach Pöseldorf kamen, einer Gegend mit Villen, die für ihre Kunstgalerien und schicken Restaurants bekannt ist. Vor einem Supermarkt fiel mir gleich diese schicke Blonde mit dem sexy Lächeln auf. Sie hatte die Ausstrahlung einer Dame. Obwohl ich erst siebzehn war, konnte mich das nicht abhalten. Ganz im Gegenteil: Es reizte mich umso mehr. Ich spürte: Diese Frau wird dir eine neue Welt zeigen.
    Ich war ein typischer Dayhunter, der ständig Frauen anschnackte. Das konnte ich. Fritz blieb zurück.
    »Hallo! Ich sah Sie hier so alleine. Kann ich helfen? Oder wollen wir gleich was trinken gehen?«
    Über meine direkte Art musste sie schmunzeln. Dabei musterte sie mich und sagte schließlich: »Ich habe heute Geburtstag und wurde gerade versetzt.«
    Eine Steilvorlage: »Was ist denn das für einer, der eine so schöne Frau sitzenlässt? Das kann ich nicht zulassen. Darf ich Sie zu einem Geburtstagsdrink einladen?« Ich hatte zwar kaum Geld bei mir, doch das war mir egal.
    »Ich bin auf eine Party eingeladen«, sagte sie. »Du kannst gern mitkommen. Den kannst du auch mitbringen.« Sie zeigte auf Fritz, der einen Schritt vortrat und ihr die Hand gab. »Ihr könnt gern mitkommen«, wiederholte sie. »Aber das wird nicht so lustig, eher ein bisschen steif.«
    Irgendwelche Schnösel waren mir vollkommen gleichgültig, ich war einzig und allein an dieser schönen Blonden interessiert und sagte schnell: »Das macht doch nichts.« Kaum hatte ich mein Outfit geändert, schon öffnete sich mir eine neue Welt. So leicht war das also.
    Auf dem Weg zur Party redeten wir über dies und das. Fritz hielt sich dezent zurück. Er wusste, dass ich auf der Jagd war. »Hier ist es«, sagte sie schließlich und zeigte auf eine pompöse Villa, vor der sich eine Menge Leute tummelten. Leute in schicken Garderoben. Über einen roten

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