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Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Titel: Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Meyer zu Kueingdorf , Michel Ruge
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Ich musste husten, immer wieder. Ich stoppte und hustete, als würde ich mir die Seele aus dem Leib kotzen.
    Das viele Blut hinterm Tresen. Der Stiernacken, leblos auf dem Boden. Wie ein erschlagenes Stück Vieh. Die Bilder schossen durch meine Gehirnwindungen, im Stakkato. Ein Blick, ein Verhängnis, ein Schicksal. Fritz, der Schlächter! Ich sah hinauf in den pechschwarzen Himmel. Scham und Abscheu überfielen mich. Es war eine asoziale Aktion. Nur dieses eine Wort fiel mir ein. ASOZIAL! Ich fühlte mich schuldig. Was war nur mit diesem Typen? Hoffentlich lebte er noch. Ich war nicht eingeschritten. Ich hatte Fritz nicht zurückgehalten. Fritz war auf einem ganz miesen Weg. Er stand am Abgrund, und ich stand daneben und konnte den fauligen Gestank des Unheils riechen.
    Wir waren längst keine Träumer mehr. Wir waren außer Rand und Band. Wir waren im Leben angekommen. Claudia war tot. Ich fühlte mich elend, hilflos, schuldig. Ich war dabei gewesen, als Fritz es getan hatte. Ich hatte meinen Freund nicht zurückgehalten. Aber war das nicht die Aufgabe eines Freundes: den anderen aufzufangen, wenn er fällt?!
    Schon seit langem hatte ich nur noch zugesehen, wie Fritz sich von einem Schisser in einen furchtlosen, brutalen Straßenkämpfer verwandelt hatte. Er war ohne Angst, ohne Kontrolle, ohne Grenzen. Anfangs hatte er sich nur mit Schwächeren angelegt, dann mit den Starken. Am Ende hat er alle Türsteher plattgemacht. Fritz zog seine Energie daraus, dass niemand ihn mochte. Und er wollte niemandem gefallen. Seine Kraft war unglaublich selbstzerstörerisch. Er wollte eine Reaktion von den Leuten – deswegen prügelte er sich. Er brauchte die Gewalt, sie war eine Bestätigung für ihn. Allmählich wurde sie für ihn zu einer Droge. Es beginnt ganz langsam, wie bei jeder Sucht. Man wird angezogen von einem romantischen, naiven Bild des Straßenkampfes und der Männlichkeit. Am Ende zerstört einen die eigene Sehnsucht.

29 Fritz ohne Grenze
    I ch zog mich zurück, ließ mich nirgendwo mehr blicken. Ich ging Fritz aus dem Weg, wollte nicht mit ihm reden. Ich hatte versagt. Ich hatte ihn nicht zurückgehalten, nicht aufgefangen. Schlimmer noch: Ich war Teil von Fritz’ Wahnsinn geworden. All meine Träume von wahrer Männlichkeit und Ehre hatte ich verraten. Was hätte Bruce Lee nur zu mir gesagt? Was hätte er getan an meiner Stelle? Ich schämte mich. Die Drogen hatten den Kampf gegen Fritz’ Kraft, Intelligenz und gegen sein Herz gewonnen. Dieser Fritz, der mich über Jahre begleitet und der immer ein Herz für Schwächere gehabt hatte. Ich las keine Zeitung. Ich schaute nicht fern. Ich wollte nichts wissen. Nicht, was Fritz angerichtet hatte. Nicht, was mit dem Stiernacken passiert war. Nicht, ob uns jemand suchte. Die Polizei oder sonst irgendwer, der Rache an uns nehmen wollte. Aber mein Gewissen quälte mich doch. Fritz war mein Freund. Ich musste zu ihm.
    »Ey, Aller! Wo warst du denn?«, begrüßte er mich. »Dein Telefon war immer besetzt.«
    »War krank. Hassu mal was gehört?«, fragte ich. Fritz verstand sofort, worauf ich hinauswollte.
    »Nee, nix«, murmelte er und schaute mich verstohlen an.
    »Ich auch nich«, sagte ich.
    »Boah, ich war ganz schön breit.« Fritz zündete sich einen Joint an und machte sich ein Bier auf. Wieder sah er mich an. Seine Augen wirkten seltsam leblos.
    »Aller! Ich glaub, ich werd verfolgt.« Plötzlich flackerten seine Augen, sein rechtes Lid zuckte nervös.
    »Wieso meinst du das? Wer?«, fragte ich. Wenn Fritz wirklich verfolgt wurde, dann hatten die Typen es sicher auch auf mich abgesehen.
    »Anne Ecke hier in Eppendorf stehen seit neuestem Neger, Drogendealer, und starren mich an. Immer, wenn ich unterwegs bin, läuft mir einer von denen nach.« Er war nervös und zittrig. Ungläubig starrte ich ihn an. Ich wusste, dass Fritz sich mit jedem angelegt hatte. Aber meinte er wirklich, was er da sagte? Warum sollten ihn ein paar kleine Dealer verfolgen, wo doch jeder wusste, dass er einen der Stiernacken plattgemacht hatten? Irgendwie passte das alles nicht zusammen. Fritz lief neben der Spur, er wirkte wie ein Häufchen Elend. Gierig sog er an der Bierflasche. Dann faselte er weiter.
    »Im Sportstudio lassen sich neuerdings Zuhälter sehen und trinken da nur was und starren mich die ganze Zeit an. Die ganze Zeit, Michel! Is echt unheimlich.« Wieder nahm er einen Schluck und zog an seinem Joint.
    »Hat nichts zu bedeuten, Fritz«, versuchte ich ihn zu beruhigen.

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