Borlik, Michael - Scary City 3 - Der Bezwinger der Dämonen
Gebeine. Mats fürchtete, sie könnten jeden Augenblick in den Fluss unter ihnen stürzen, in dem Dinge trieben, von denen er gar nicht so genau wissen wollte, was es war. Um so verkrampfter klammerte er sich an das Geländer, das seine Fantasie über die Schrecken der Unterwelt nur noch mehr anspornte, denn die Knochen wiesen allesamt die Einkerbungen von Bissspuren auf.
Auf der anderen Seite der Brücke lag ein Tunnel, der nach wenigen Schritten in eine Höhle mündete. Ein Kronleuchter aus Knochenhänden, von der jede eine brennende Kerze hielt, beleuchtete vier Zellentüren. Mats ahnte bereits, wo sie waren. Aber etwas stimmte nicht, denn es waren drei Zellen, die offen standen.
Lucy ließ seine Hand los und trat einen Schritt vor. »Wie kann das sein?« Auch ihr musste klar sein, wo sie sich befanden.
Tic stob von Mats' Schulter und fluchte. »Vlad hat das letzte Siegel gefunden, nicht wahr? Er hat es zerstört und nun sind schon drei der vier Dämonen frei.« Er raufte sich sein kupferfarbenes Haar. »Wieso ist er uns bloß immer einen Schritt voraus?«
»Weil er das alles schon seit langer Zeit plant«, erwiderte Hel, die scheinbar durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. »Jetzt ist nur noch ein einziges Siegel übrig: Der Goldene Schlüssel, den ihr Konrad Abendrot übergeben habt.«
Mats starrte auf die Kerker, in denen die Dämonen über tausend Jahre lang gefangen gehalten wurden. Tausend Jahre, in denen sie weder Chaos noch Unheil stiften konnten. Sein Blick traf auf die vierte, noch verschlossene Tür und er erschauderte unter dem Kribbeln der Magie, die von ihr ausstrahlte.
»Was ist geschehen?«, fragte er. »Wer hatte das letzte Artefakt?«
»Fenris, mein Bruder.« Hel kickte einen Stein zur Seite, der nahe ihrer rechten Stiefelspitze gelegen hatte. »Die Zerstörung des Siegels hat auch den Vergessenszauber gebrochen, sodass ich mich jetzt wieder erinnere, es ihm übergeben zu haben.«
»Aber wenn er Ihr Bruder ist, muss er doch ein Gott sein«, wandte Mats ein. »Wie konnte Vlad es ihm dann überhaupt abnehmen?«
»Mit den gleichen Mitteln, mit denen er auch euch in die Knie gezwungen hat: mit List und Tücke. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Viel wichtiger ist, um wen es sich bei den vier handelt. Und warum sie so gefährlich sind.« Die Göttin legte eine ihrer Hände auf die letzte Kerkertür, woraufhin ein zorniger Aufschrei aus dem Inneren der Zelle drang. »Morczane war ihr Anführer«, fuhr die Göttin fort und drehte sich wieder zu ihnen um. »Er kontrollierte die anderen Dämonen, zwang ihnen seinen Willen auf. Darauf beruhte seine ganze Macht. Er war ein Scheusal und grausam obendrein. Aber er besaß nicht die Kräfte, über die die anderen vier Dämonen verfügten. Aus diesem Grund erlangte er auch nie ihre Berühmtheit.« Sie schnippte mit den Fingern und ein Stuhl erschien neben ihr. Hel setzte sich verkehrt herum darauf, sodass sie sich mit den Ellbogen auf der Rückenlehne abstützen konnte. »Wenn sie in die Schlacht zogen, wenn sie Zerstörung und Tod über die Menschen und ihre Städte brachten, dann waren es immer nur die vier, die angriffen. Morczane hielt sich im Hintergrund, von wo aus er sie wie Schachfiguren lenkte und sich am Elend, am Blut und am Sterben erfreute.«
Tic gab ein Wimmern von sich.
»Es war eine schlimme Zeit für die Menschen, eine sehr schlimme.« Hels Blick bohrte sich in den von Mats und ein verrauchtes, von Schmerz- und Todesschreien erfülltes Schlachtfeld nahm vor seinen Augen Gestalt an. Das Bild wirkte so real, dass er den Rauch riechen, den metallischen Geschmack von Blut auf der Zunge schmecken und die Furcht und das Entsetzen der Soldaten fühlen konnte, als die vier Dämonen durch den Kriegsnebel auf sie zugeritten kamen.
»Du kennst sie, Menschenjunge«, drang die Stimme der Göttin an seine Ohren, »du kennst sogar ihre Namen.«
Mats stöhnte und schüttelte den Kopf. Allmählich klärte
sich sein Blick und er sah in Lucys besorgtes Gesicht. »Ich weiß jetzt, wer sie sind«, sagte er mit einer Stimme, die selbst in seinen eigenen Ohren fremd klang. »Es sind die vier Apokalyptischen Reiter. Die Boten des Untergangs.«
»Hunger, Tod, Pest und Krieg«, sagte die Göttin. »Keine andere Macht hat die Menschheit jemals näher an den Abgrund der Vernichtung getrieben. Hoffen wir, dass Vlad es niemals gelingen wird, die vier wieder zu vereinen.«
Mats war sich nicht sicher, ob er geschockt oder erleichtert darüber
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