Borlik, Michael - Scary City 3 - Der Bezwinger der Dämonen
Lavagestein wie eine Spirale in die Tiefe. Hundert, zweihundert, vielleicht sogar über dreihundert Meter. Er konnte es nicht so genau ausmachen, weil der Abgrund, in den sie hinabstiegen, größtenteils im Dunkeln lag. Gelegentlich loderten weit unter ihnen Feuersäulen auf. Und wenn Mats die Augen zusammenkniff, sah er in der Ferne Schwärme von blutroten Lichtern, die so etwas Ähnliches wie einen riesigen Bienenstock umkreisten. Der Anblick hatte etwas Bedrohliches an sich.
Noch viel bedrückender empfand Mats jedoch das Wehklagen, die Schmerzensschreie und das hämische Gelächter, das von allen Seiten auf sie einprasselte. Immer wieder sah er sich nach der Quelle der Laute um, konnte sie aber nicht entdecken. Ob es wirklich Seelen waren, die hier unten gequält wurden? Er warf einen Blick auf Hel die ein paar Stufen unter ihnen ging. Er könnte sie fragen. Aber was war, wenn er die Antwort gar nicht hören wollte? Und warum mussten sie unbedingt in die Unterwelt hinabsteigen, um die Wahrheit über die vier Gefangenen herauszufinden?
Mats fuhr sich mit dem Finger durch den Ausschnitt seines Sweatshirts. Seine Kleidung war so klamm, dass sie wie ein Sack an ihm herunterhing. Aber es hatte nur bedingt mit der Hitze hier unten zu tun. Oder damit, dass seine rechte Hand vor Schmerz pochte, weil Lucy sie zu zerquetschen drohte, obwohl sie das mutigste Mädchen war, das er kannte.
»Ich hoffe, es ist nicht mehr weit, wo immer sie mit uns hin will«, raunte Mats seinen Freunden zu.
Lucy nickte. »Ich würde diesen Ort auch lieber gleich als später verlassen.« Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn. »Es ist so stickig hier und diese Treppe will einfach nicht aufhören. Außerdem ...« Sie zögerte kurz, bevor sie weitersprach. »Außerdem sollten wir nicht hier sein. Ich fühle es.«
»Hel wird schon ihren Grund haben, uns hierher zubringen«, sagte Tic und klang sehr viel ernster als sonst. »Normalerweise empfängt sie keine Gäste in der Unterwelt, denn wer sie einmal betritt, sitzt hier erst einmal fest.«
Mats und Lucy blieben stehen und starrten den Feenmann an.
»Ganz ruhig bleiben, Leute, okay?« Tic hob beschwichtigend die Hände. »Das gilt natürlich nur für diejenigen, die es auch verdient haben, in der Unterwelt zu schmoren. Wir sind nur als Besucher hier.« Er hob einen Fuß. »Seht ihr, keine Ketten. Es ist also alles in bester Ordnung.«
Die beiden setzten sich wieder in Bewegung. Die Totengöttin war bereits um die nächste Biegung verschwunden, weswegen sie einen Zahn zulegten.
»Warum holt Hel Vlad nicht einfach zu sich in die Unterwelt?«, schlug Mats vor. »Damit wären all unsere Probleme auf einen Schlag gelöst.« Er zuckte vor einem kichernden Schrumpfkopf zurück, der wie aus dem Nichts vor ihm aufgetaucht war und in der nächsten Sekunde mit einem Plop auch schon wieder verschwand.
»Einfach ignorieren«, riet der Feenmann. »Niemand wird uns etwas tun, solange wir in Hels Nähe bleiben.«
Lucy schüttelte sich. »Auf jeden Fall hätte Vlad es verdient, hier unten zu landen.«
»Das mag schon sein.« Hel hatte sich zu ihnen umgedreht. »Aber es ist nicht an mir, über sein Schicksal zu entscheiden.« Sie musterte die drei. »Die Prophezeiung hat euch dazu bestimmt. Hoffen wir, dass ihre Wahl weise war.«
»Wer hat diese dämliche Prophezeiung überhaupt gemacht?« Nicht zum ersten Mal stellte Mats sich diese Frage.
»Ahnst du es wirklich nicht, Menschenjunge?«
Mats seufzte. »Es war Mr Myrddin, nicht wahr?« Immerhin hatte er seine Fähigkeit als Hellseher bereits unter Beweis gestellt. Außerdem würde es erklären, wie er in die ganze Angelegenheit hineinpasste.
»Du bist jung, Mats Greifenhall. Aber du besitzt einen Durchblick, über den selbst viele Erwachsene nicht verfügen. Bewahre ihn dir!«
Wow, ein Lob aus dem Mund einer Göttin, dachte Mats. Wenn das mal nichts Besonderes war.
Das Ende der Treppe lag auf einer düsteren Ebene, die von Feuergeysiren erhellt wurde, die abwechselnd ausbrachen. Hier war es so warm und feucht wie in der Sauna. Mittlerweile hingen selbst Tics Schmetterlingsflügel schlaff an seinen Seiten herab. Nur Hel sah weiterhin aus wie frisch aus dem Ei gepellt.
»Jetzt liegt nur noch der Pfad der Gebeine vor uns, dann sind wir am Ziel«, erklärte sie den dreien.
Der Pfad der Gebeine entpuppte sich als Hängebrücke, die aus menschlichen Knochen gefertigt war. Überwiegend aus Oberschenkeln. Bei jedem Schritt knackten die morschen
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