Borlik, Michael - Scary City 3 - Der Bezwinger der Dämonen
so angsteinflößend?«
Hel drehte sich zu ihnen um. Sie wirkte amüsiert, fast schon heiter, was bei einer Totengöttin irgendwie bedrohlich ausschaute. »Diese Bezeichnung stammt nicht von uns, sondern von euch Menschen. Genau genommen von zweien eurer berühmtesten Geschichtenerzählern: den Gebrüdern Grimm. Vor über einhundertneunzig Jahren stolperten sie hier in Berlin über einen Eingang in den Schattenschlund. Im ersten Moment waren sie über den Anblick der vielen Fabelwesen derart entsetzt, dass sie den Schattenschlund die Schaurige Stadt tauften.«
»Das ist nicht wahr, oder?«, fragte Mats.
Tic kicherte. »Anfangs haben sich Jacob und Wilhelm unseretwegen fast in die Hosen gemacht. Als sie uns dann besser kennenlernten, vergaßen sie ihre Angst schnell. Viele ihrer Märchen basieren übrigens auf wahren Begebenheiten.«
Lucy schnaubte. »Rotkäppchen und der böse Wolf kann unmöglich ...« Sie verstummte, blinzelte ein paarmal und meinte dann: »0 nein, in Wahrheit war es ein Werwolf, nicht wahr? Deswegen konnte er die Großmutter verschlingen.«
»Bingo!« Tic grinste. »Jedenfalls wurde Schaurige Stadt recht schnell zu einem geflügelten Begriff unter uns Schattengängern. Also benutzten wir ihn, um für unsere Freunde und andere Fabelwesen Hinweise auf Eingänge in den Schattenschlund direkt unter euren Augen zu platzieren, ohne dass ihr Menschen auch nur ahnt, was sich dahinter verbirgt. Doch nach und nach griffen immer mehr unserer Städte die Idee auf. Also beschlossen wir, Schaurige Stadt zu internationalisieren und so wurde Scary City daraus.«
»Wow«, sagten Mats und Lucy wie aus einem Munde.
»Da das jetzt geklärt ist, kann es ja weitergehen!« Hel drehte sich um und trat durch die Tür.
Mats und seine Freunde folgten ihr. Er hatte erwartet, dass sie ein Luxusappartement mit jeder Menge teurer Ledermöbel und abgefahrenen Designerschnickschnack betreten würden, irgendwie hätte das zu Hel gepasst. Stattdessen erwartete sie ein endlos langer, von Feenlampen erhellter Gang, von dem mehr Türen abgingen, als es vermutlich in ganz Berlin gab. Mats musste erst einmal stehen bleiben, weil ihm von dem Anblick schwindelig wurde. Vor allem, weil jede Tür auch noch anders aussah als die anderen, sodass er gar nicht wusste, wohin er zuerst blicken sollte.
Tic, der auf seiner Schulter hockte, quiekte: »Ist das ... ist das etwa der legendäre ...«
»Ja, Feenmann«, sagte die Göttin, ohne sich umzudrehen. »Dies ist der Tempel der unendlichen Türen.« Ihre Schritte hallten von den Wänden wider. »Haltet euch dicht bei mir. Ignoriert das Kratzen an den Türen und die verzweifelten Rufe, die manchmal dahinter erklingen, denn wenn ihr es nicht tut, ist es euer Tod.«
Lucy schluckte. »Wegen der Gefahren, die dahinter lauern?«
Hel drehte sich zu ihnen um. »Nein, weil ich euch dann töten werde«, sagte sie mit einer Bestimmtheit, die nicht den geringsten Zweifel an ihren Worten aufkommen ließ.
Mats und Lucy wichen vor Hel zurück. Warum mussten sie es immer mit den Psychopathen unter den Göttern zu tun bekommen? Zuletzt hatte die Kriegsgöttin Morrigan versucht, ihnen ihre Lebenszeit zu stehlen. Und jetzt drohte Hel, sie umzubringen.
Die Göttin verdrehte die Augen. »Die Türen des Tempels führen nicht nur an verschiedene Orte, sondern auch in verschiedene Zeiten. Wenn ihr die falsche öffnet, könntet ihr damit die Geschichte dieser Welt für immer verändern. Und welche Folgen das hätte, brauche ich euch wohl nicht zu erklären, oder?« Sie blickte von einem zum anderen. »Ich habe nicht vor, euch etwas zu tun. Ich wollte nur sichergehen, dass ihr auch wirklich auf mich hört. Alles klar?«
Alle drei nickten.
»Gut.« Hel marschierte weiter.
Mats und Lucy sahen sich an.
»Ich weiß, was ihr jetzt denkt«, flüsterte Tic. »Behaltet es aber lieber für euch. Diese Götter haben verdammt gute Ohren und sie lieben es, Menschen in Dinge zu verwandeln, die man nicht einmal unter der Schuhsohle kleben haben will.«
Am Ende blieb Hel vor einer Tür aus zusammengenagelten, rußgeschwärzten Brettern stehen. Rauch drang durch die Ritzen und Mats' Nase füllte sich mit einem Geruch, der ihn an Würstchen erinnerte, die bereits zu lange auf dem Grill lagen.
Die Göttin stieß die Tür auf und Flammen schossen heraus. Doch unter ihrem Blick zog sich das Feuer wie ein gescholtener Hund zurück. »Willkommen in der Unterwelt!«
Vor Mats wand sich eine Treppe aus schwarzem
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