Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
Keller.«
Ein schwaches Rauschen und dann ein leises Klicken. In dem Moment war er froh gewesen, dass der Pastor im Keller war, weil sich gerade da sein Diktiergerät abschaltete. Er hatte es inzwischen reparieren lassen, und es funktionierte wieder richtig. Wenn die Geräuschfrequenz zu niedrig war, schaltete es sich ab. Deleu drehte die Kassette um, schenkte sich ein Hoegaarden ein, pfropfte sich zwei Kissen in den Rücken, bugsierte sie mit dem Ellbogen zurecht und fuhr mit dem Abhören fort. Bevor sie ihr Gespräch fortsetzten, ertönte ein dumpfer Schlag.
Das Geräusch kam aus dem Keller, wo der Pastor auf der Suche nach seinem besonderen Wein war. Vielleicht hatte er sich den Kopf an einem Weinregal gestoßen.
»So, Dirk, wo waren wir stehengeblieben?«
»Mariette Pauwels. Ich habe mit ihr gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass am Mordtag ein Stromableser bei ihr klingelte, während Sie gerade bei ihr zu Besuch waren.«
»Ach ja, an welchem Tag war das denn?«
»Am Freitag dem zwölften. Können Sie ihre Aussage bestätigen?«
Stille.
»War das am zwölften November?«
Warum lag zwischen den beiden Fragen eine Pause von mindestens fünfzehn Sekunden? Woran hatte Mijnheer Pastor gedacht? Vielleicht an seine Geliebte? Deleu musste über seine ordinäre Phantasie lachen. Was für banale Gedankensprünge.
»Äh, ja, kann gut sein, dass ich in der Woche bei Mariette war. Das genaue Datum weiß ich nicht mehr, jedenfalls nicht aus dem Kopf. Wie finden Sie den Wein?«
Wieder hielt Deleu das Band an. Es hatte im Grunde keinen Sinn, weiter zuzuhören. Der Pastor hatte sich mehr für die Qualität seines Weins interessiert als für Deleus Fragen, und außerdem waren die Probleme mit Barbara noch zu frisch, als dass Deleu sich richtig konzentrieren konnte. Er wollte schon zu Bett gehen, beschloss aber schließlich doch, dies hier noch zu Ende zu führen. Wahrscheinlich war Barbara noch wach, und er hatte keine Lust, mit ihr zu reden, egal über welches Thema. Erneut drückte er den Startknopf.
»Hm, sehr gut, aber ein bisschen zu schwer für mich. – Bitte versuchen Sie, sich an das genaue Datum zu erinnern! Es ist sehr wichtig.«
»Kein Problem. Ich sehe mal eben in meinem Taschenkalender nach.«
Deleu hörte, wie im Hintergrund eine Schublade aufgezogen und wieder zugeschoben wurde. Phantastisch, wie genau das kleine Gerät aufzeichnete.
Er dachte an den Tag zurück, an dem er das Diktiergerät von Barbara zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. In der Nacht hatten sie sich geliebt, und Deleu hatte alles aufgenommen. Er hatte das Gerät angelassen, gespannt, was morgens darauf zu hören sein würde. Zwei vorbeifahrende Lastwagen und eine endlose Folge von Hustenanfällen.
Er beschloss, jetzt keine mehr zu rauchen, und versuchte, sich zu konzentrieren.
»Ja, stimmt, an dem Tag war ich bei Mariette, und tatsächlich erinnere ich mich wieder daran, dass jemand klingelte, als ich gerade aufbrechen wollte. Ich schaue ab und zu bei Mariette vorbei, damit sie nicht so einsam ist. Ihre vier Töchter kümmern sich kaum um ihre Mutter. Nur das Allernotwendigste erledigen sie. Es ist traurig. Wie gesagt, als jemand kam, bin ich gegangen.«
»Haben Sie die Person gesehen, die bei Mariette klingelte?«
»Gesehen? Na ja, nur im Vorbeigehen. Ich habe gegrüßt, aber nicht richtig hingeschaut. Ich kannte den Mann nicht und glaube nicht, dass ich ihn vorher schon einmal gesehen hatte. Warum fragen Sie mich? Sie müssten ihn doch besser kennen als ich, wenn er ein Polizist in Zivil war?«
»Ein Polizist in Zivil?«
»Ach, war er denn keiner?«
»Nein, es war ein Stromableser von den Stadtwerken, dafür hat er sich jedenfalls ausgegeben. Warum haben Sie ihn für einen Polizisten gehalten?«
»Ach, aus keinem besonderen Grund, aber momentan ist ja so viel Polizei unterwegs.«
Deleu grinste. Der Pastor konnte ja nicht ahnen, wie nahe er der Wahrheit gekommen war.
»An dem Tag, an dem Sie Mariette besuchten, geschahen die Morde. Wir vermuten, dass dieser Mann gar kein Stromableser war.«
»War er der Mörder?«
»Nein, höchstwahrscheinlich nicht, aber es ist äußerst wichtig für unsere Ermittlungen, ihn ausfindig zu machen.«
Deleu hörte im Hintergrund sein Handy summen und erinnerte sich an das Telefonat mit Jos Bosmans im Zusammenhang mit der Identifikation von De Staercke, damals noch »der Mann im grauen Mantel«.
»Entschuldigung.«
»Bitte, ich habe es
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