Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
sich aus der Umarmung. »Du musst es mir sagen!«
»Ich weiß nicht, Moffie. Es war wohl so was wie animalische Anziehungskraft. Es hatte nichts mit Liebe zu tun, Barbara. Sie ist einfach nur eine Prostituierte.«
»Aber was soll ich denn jetzt machen, Dirk? Ich habe dir immer vertraut. Hundertprozentig. Du hast mein Vertrauen in dich zerstört. Für immer. Ich kann das nicht verstehen.« Die letzten Worte klangen erstickt. Deleu spürte, wie Wut in ihm aufstieg. Die Machtlosigkeit, das war das Schlimmste.
Barbara stand auf und ging in die Küche. Deleu hörte, dass sie die Scherben wegräumte, folgte ihr, nahm ihr Kehrblech und Handfeger ab und brachte die Aufgabe zu Ende. Während sie schweigend mit dem Abendessen anfing, ging er in die Abstellkammer, warf die Scherben in den Mülleimer, kehrte in die Küche zurück, holte ein Jupiler aus dem Kühlschrank und öffnete es.
»Möchtest du auch etwas trinken?«
Barbara schüttelte den Kopf und fragte: »Wie soll es jetzt mit den Ermittlungen weitergehen?«
»Keine Ahnung«, antwortete Deleu. Er küsste seine Frau auf den Hals und zog sie mit sich ins Wohnzimmer.
»Und was soll jetzt aus uns werden? Du hast doch gekündigt?«
»Ja, und ich kann die Kündigung auch nicht mehr rückgängig machen.«
»Und jetzt bist du auch noch auf unbestimmte Zeit vom Dienst suspendiert.«
»Stimmt.«
»Was willst du den ganzen Tag anfangen?«
»Mich um dich …« Deleu schaute Barbaras Bauch an. »Um euch kümmern.«
»Aber verdammt noch mal, Dirk, wie weit seid ihr denn mit euren Ermittlungen?«
»Jos hat mir versprochen, mich auf dem Laufenden zu halten. Er sagt mir Bescheid, sobald es neue Ergebnisse gibt. Natürlich unter der Hand. Wenn Rechtsanwalt Sonck, der De Staercke vertritt, oder Verspaille Wind davon bekämen, könnte Bosmans auch einpacken. Ich glaube, ich höre endgültig auf, Barbara. Das alles wächst mir einfach über den Kopf.«
»Meinst du, De Staercke hängt da irgendwie mit drin?«, fragte Barbara, in dem tapferen Versuch, ihrer eigenen Gefühle Herr zu werden und ihren Mann wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. Sie wollte nichts lieber, als dass er seinen Auftrag zu Ende führte und dazu beitrug, den Fall zu lösen.
Sie betrachtete sein Profil, und für einen Augenblick sah sie wieder den jungen Dirk Deleu vor sich, mit den langen blonden Locken und dem fein geschnittenen Gesicht, den Seesack lässig über der Schulter, die hellblauen Augen auf sie und nur sie allein gerichtet, als er die Treppen des Mecheler Bahnhofs hinunterkam.
»Ehrlich gesagt, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass dieser Neonazi nur zufällig in die Sache mit reingeraten ist. Außerdem scheint es sich weder um politische Morde noch um Verbrechen aus Leidenschaft zu handeln.«
»Und der ermordete Polizist? In den Nachrichten hieß es, er sei der Mörder gewesen.«
»Nein, weder seine Blutgruppe noch die Fingerabdrücke stimmen überein. Er kann nicht der Mörder gewesen sein.«
»Was heißt das, die Blutgruppe stimmt nicht überein?«
»Tut mir leid, Schatz, aber darüber darf ich nichts sagen. Wenn irgendetwas darüber bekannt würde, könnte das die Ermittlungen gefährden. Bitte versteh mich …«
»Tja, es gibt so einiges in diesem Fall, was besser nicht bekannt geworden wäre«, fauchte Barbara.
Das Telefon klingelte. Es war Jos Bosmans. Sie hatten ein Postfach auf den Namen Harry Luyten entdeckt und darin eine Beretta gefunden.
Die ballistischen Untersuchungen waren noch in vollem Gange, aber aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich bei der Beretta um die Mordwaffe, mit der die beiden Teenager in Eppegem so heimtückisch erschossen worden waren. In dem Postfach fanden die Ermittler außerdem einen Schlüssel aus dem Haus der Poulders, ein Duplikat von Mister Minit. Es war der Schlüssel, der auf die Tür zwischen Küche und Garage passte, jener Tür, an deren Innenseite der saubergewischte Schlüssel gesteckt hatte.
War Harry Luyten auch der Mörder der Poulders, oder zumindest ein Komplize des Mörders? Das fragte sich Bosmans, und obwohl die Entdeckung von Luytens Postfach einen spektakulären Durchbruch in den Ermittlungen zum Mord an den beiden Teenagern darstellte, bereitete es Bosmans Sorgen, dass der Schlüssel zum Postfach trotz intensiver Suche unauffindbar blieb.
Die Wohnung, das Auto und Harrys Büro wurden nochmals gründlich durchkämmt, aber der Schlüssel tauchte nirgendwo auf.
Man fühlte den Mitarbeitern des
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