Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
herum. Der von oben ist unten und der von unten ist oben.« Sie öffnete den Sicherungskasten und seufzte: »Pffft, das sieht aber kompliziert aus.«
Maggie, die gespannt zuschaute, glaubte, oben ein Geräusch zu hören.
»Was war das?«
»Was denn, mein Kind?«
»Dieses Geräusch! Es hat sich angehört, als knarrte die Treppe. Haben Sie das nicht gehört?«
»Nein, ich habe nichts gehört. Das war wahrscheinlich der Wind, ein Gewitter zieht auf. Demnächst liegt noch das ganze Dach auf der Straße. Aha, die da ist locker. Und die auch. Leuchte mal hierher. Nein, da ist keine kaputt. Sie sind einfach nur nicht richtig reingeschraubt. So … und so.«
Als das Licht im Keller ansprang, leuchtete auch Maggies Gesicht auf. Sie schaltete die Taschenlampe aus und atmete erleichtert tief durch.
»Moment, die hier kontrolliere ich lieber auch noch mal. Alles in Ordnung. Alle wieder richtig drin.«
Marthas triumphierendes Grinsen erstarb, als sie sich im Keller umblickte.
»Du meine Güte, was für ein Durcheinander, es wird wirklich Zeit, dass ich hier mal wieder richtig aufräume. Gleich morgen mache ich mich an die Arbeit.«
»Ich helfe Ihnen.«
»Nein, danke dir. So etwas kann ich schon noch alleine. Es dauert eben nur ein bisschen länger. Mein Sohn hält mich für völlig hilflos. Aber wenn es mal so weit kommen sollte, dann … dann sollen sie mich hier mit den Füßen zuerst raustragen.«
»Aber so weit ist es doch noch lange nicht. Sie werden bestimmt hundert Jahre alt. Kommen Sie, ich nehme Ihnen die Tasche ab und helfe Ihnen die Treppe rauf.«
Martha warf Maggie einen gespielt strengen Blick zu. Maggie lächelte, und ihr wurde warm vor Zuneigung. Für einen Moment erwog sie, Martha ins Vertrauen zu ziehen, aber die alte Frau war schon wieder auf dem Weg die Treppe hinauf. Maggie eilte ihr nach und sagte: »Danke.«
»Nichts zu danken, mein Kind. Wenn du noch mal ein Problem hast, wende dich getrost an mich. Oder du rufst mich einfach an. Dafür haben wir ja das Haustelefon. Das Einzige, was hier im Haus gratis ist.«
Sie kicherte, betrat ihre Wohnung, drehte sich um und nickte freundlich.
»Wie kommt es eigentlich, dass wir hier ein Haustelefon haben, Martha?«
»Das haben wir meinem Sohn zu verdanken«, schmunzelte Martha. »Früher hat er oben gewohnt, und er hat es installiert, weil ich so schlecht zu Fuß bin und er sein Büro auf dem Speicher eingerichtet hatte. So konnte ich ihn schnell erreichen, und seine Frau brauchte nicht jedes Mal durch das Schlafzimmer ihrer Tochter Kimmeke zu laufen, wenn sie etwas von ihm wollte.«
»Ach so. Und warum wohnt Ihr Sohn hier nicht mehr?«
»Als Stijntje, ihr zweites Kind, geboren wurde, wurde die Wohnung zu klein. Behauptet jedenfalls seine Frau. Ich glaube das ja nicht so richtig, sondern denke eher, dass sie ihre Ruhe haben wollten. Aber ich will nicht schlecht über meine Schwiegertochter reden, du weißt ja, wie das ist. Die Mutter zieht gegenüber der Schwiegertochter meistens den Kürzeren, nicht wahr? Aber ich bin ihnen nicht böse. Wir wursteln uns schon so durch. Guck doch nicht so betreten, du kannst ja schließlich nichts dafür.«
»Wenn Sie mal irgendetwas brauchen sollten, bin ich jederzeit für Sie da«, flüsterte Maggie mit einem Kloß im Hals. Martha nickte mit geschlossenen Augen, griff sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den unteren Rücken und schloss die Tür.
»Und nochmals vielen Dank«, murmelte Maggie. Ihre Worte wurden von dem toten Holz zurückgeworfen.
Sie drehte sich um und stieg mit gemischten Gefühlen die Treppe hinauf. Hätte sie die alte Dame zu einer Tasse Tee einladen sollen? Nein, denn schließlich konnte ihre Mutter jeden Moment hereinstürmen, und diese Szene wollte sie Martha gern ersparen.
Sie öffnete ihre Wohnungstür und probierte nacheinander alle Lichtschalter aus. Alles funktionierte einwandfrei. Maggie gähnte und schaute auf die Uhr. Halb acht. Wo blieb Mama nur? Ob sie Rubbels mitbrachte?
Als Maggie gerade den Kühlschrank öffnete, auf der Suche nach einer Flasche Cola, klingelte das Telefon. Sie stellte die Dose auf den Küchentisch, sprintete zum Telefon und nahm den Hörer ab. Jemand pfiff eine Melodie. Es klang wie Beethovens Fünfte.
»Hallo?«
Beethovens Fünfte.
»Hallo, wer ist denn da?«
Das Pfeifen verstummte abrupt, und die Verbindung wurde unterbrochen. Maggie schaute perplex den Hörer an und legte schließlich auf, erfüllt von einem unbehaglichen Gefühl. Sie schlang die
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