Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
Bosmans würde auftauchen.
Hier stand er, allein auf dem glänzenden Kopfsteinpflaster der breiten Einfahrt. Über der Doppelgarage und der Haustür brannte das Außenlicht, als wären die Poulders zu Hause. Deleu versuchte, seine Nervosität zu unterdrücken.
In der Villa neben den Poulders wurde eine Gardine beiseitegeschoben. Deleu zuckte zusammen. Neugierige Nachbarn. Bestimmt waren diese Leute zutiefst verängstigt und erschüttert, und die ganze Woche über waren ihnen Presse und Polizei zu Leibe gerückt. Ihre Aussagen waren zu einer dicken Akte gebündelt worden. Viel Prosa um nichts. Keiner der Nachbarn hatte in der bewussten Nacht etwas Verdächtiges bemerkt. Wenn jetzt nur keiner die Polizei rief oder, schlimmer noch, den Hund auf ihn hetzte.
Deleu ging langsam den rotbraunen, doppelreihigen Plattenweg entlang, und allmählich verschluckte ihn die Dunkelheit. Zum wiederholten Male blickte er verstohlen über die Schulter. Von der gut beleuchteten Straße aus konnte man ihn wahrscheinlich nicht sehen. Rechts befand sich eine Hausmauer aus Backstein und links Koniferen, die im Laufe der Jahre zu einer undurchdringlichen, mindestens zwei Meter hohen Wand verwachsen waren, welche die Sicht auf das Nachbarhaus vollständig versperrte. Deleu schätzte die Länge des Gartens hinter dem Haus auf ungefähr hundert Meter. Am Ende verschmolzen die Koniferen mit dem dahinterliegenden Wald. Konnte man die Gleise, die den Wald durchquerten, von hier aus sehen? Wahrscheinlich nicht.
Deleu drehte sich um und ging über die Terrasse zur Veranda. Er spähte durch die Glastür, um sich zu orientieren, bevor er das Haus betrat. Nichts. Die Gardinen waren dicht zugezogen. Er öffnete seine Aktentasche, wühlte darin herum und atmete erleichtert auf, als seine Fingerspitzen einen kartonierten Umschlag berührten. Die Pläne des Hauses. Er hatte sie am Nachmittag gründlich studiert, aber man konnte ja nie wissen.
Die Mecheler Kripo vermutete, dass die Täter durch die Garagentür in das Haus eingedrungen waren, die nicht abgeschlossen war, als man die Poulders fand. Die Erkundigungen bei den Nachbarn – die doch immer wieder eine unschätzbare Informationsquelle waren – ergaben, dass das öfter geschah. Die Familie hatte früher einen großen deutschen Schäferhund besessen, der in der Garage schlief. Der Hund war vor zwei Monaten gestorben, aber die schlechte Angewohnheit, nicht abzuschließen, hatten sie anscheinend beibehalten. Wussten die Täter davon? Der Tierarzt der Poulders hatte ausgesagt, dass das Tier vergiftet worden sei. Die Poulders, die den Mord an ihrem Hund nicht zur Anzeige gebracht hatten, vermuteten, Wilderer hätten ihren Hund umgebracht, weil sie das Gebell im Garten abstellen wollten.
Deleu starrte in die dunkle Nacht. Hatten die Täter den Überfall gründlich vorbereitet? Hatten sie das Haus vorher beobachtet? Die dichten Büsche hinter dem Garten boten ausreichend Deckung, und dass in der Gegend hin und wieder nachts gewildert wurde, war kein Hindernis. Hatten sie erst den Hund aus dem Weg geräumt?
Diesmal war die Garagentür abgeschlossen, sogar versiegelt. Deleu klappte sein Taschenmesser auf, durchschnitt drei Schichten Plastikklebeband, öffnete die Tür mit dem Schlüssel, den Bosmans ihm mitgegeben hatte, und ging behutsam, das scharfe Messer in der Hand, in das Haus hinein.
Der Wagen von Mijnheer Poulders, ein Mercedes 190 D, stand in der Garage. Mit diesem Auto war Poulders in der Mordnacht nach dem Squashspielen nach Hause gefahren. Der stumme Zeuge eines grauenvollen Dramas.
Der Wagen war spiegelblank gewienert, Mijnheer Poulders war, wiederum nach Aussage der aufmerksamen Nachbarn, sehr gewissenhaft in dieser Hinsicht. Deleu schaltete das Licht ein, und als Erstes fiel sein Blick auf ein rotes Kinderfahrrad der Marke Froggy mit dicken Reifen. Er schluckte. Rob hatte früher ein blaues besessen. Es stand noch immer bei ihnen auf dem Speicher. Barbara brachte es nicht übers Herz, das Ding zu verkaufen.
Deleu fuhr zärtlich über den glänzenden Lenker. Auf dem Rahmen ein Aufkleber: »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«. Er schaltete das Licht aus und klappte sein Messer wieder zu, griff nach der Türklinke und drückte sie langsam hinunter. Die Tür von der Garage zur Küche war nicht abgeschlossen. Sie knarrte nicht einmal. Deleu schlängelte sich mit einer geschmeidigen Drehung in die Küche und schloss die Tür. Der Schlüssel steckte von innen, genau wie an dem
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