Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
Botschaft hin zum Nationalen Institut für Kriminalistik geflogen worden, wo man eine DNA-Analyse durchgeführt hatte. Leider ließ sich jedoch kein brauchbares Erbmaterial mehr isolieren. Mehr als drei Jahre nach dem Brand waren die Zellstrukturen in den verkohlten Gebeinen zerstört. Immerhin war es Bosmans gelungen, Lacante dazu zu überreden, sämtliche Zahntechniker in einem Umkreis von hundert Kilometern rund um Anduze zubefragen. Das Gebiss der unbekannten Frau zeigte, neben der Tatsache, dass die beiden Schneidezähne ziemlich ungeschickt entfernt worden waren, Spuren von Eingriffen, die höchstwahrscheinlich kein Zahnarzt durchgeführt hatte. Außerdem wies das Schambein der Frau eine Anzahl seltsamer Einkerbungen auf, die vermutlich nicht von herabstürzenden Trümmern stammten. Mehr noch: Spezialisten hatten Zweifel bezüglich des Geschlechts der exhumierten Leiche geäußert. Daraufhin hatte Bosmans sofort eine belgische Delegation entsandt.
Deleu schüttelte den Kopf, als wolle er die Gedanken verjagen. Momentan hatte er andere Sorgen.
Er hielt sich etwa zehn Meter hinter der jungen Verkäuferin, die sich geschickt durch die belebte Einkaufsstraße schlängelte, das Paket noch immer fest an die Brust gedrückt. Unvermittelt drehte sie sich um.
Deleu murmelte ein Stoßgebet und schlüpfte in einen Hauseingang. Wenn sie ihn sah, würde sie ihn vermutlich sofort wiedererkennen. Gott, wie er diese Undercover-Arbeit hasste. Barbara, die mit Charlotte in der anderen Filiale wartete, hatte ihm den Auftrag erteilt, der Verkäuferin zu folgen, um so die Adresse des anderen Sportgeschäfts herauszufinden.
Als Deleu kurz innehielt, um seine Belga auszutreten, verlor er die Frau. Verschluckt von der Menge der Passanten. Er verfiel in einen Laufschritt und setzte hin und wieder die Ellenbogen ein, um durch die Menschenmassen zu dringen.
Nichts. Keuchend drehte er sich um und rannte ein Stück zurück. Dann wieder in die andere Richtung, während er mit hochgerecktem Kopf über die Menge hinwegspähte.
Da, ein Einkaufzentrum. Dort musste sie hineingegangen sein, das war am wahrscheinlichsten. Deleu trat durch die Schiebetür, verlangsamte seine Schritte und betrachtete die Schaufenster.
Mertens Sport. Das musste es sein. Sie hatten das Geschäft wohl vorhin übersehen, weil es sich in einer Ecke des riesigen Einkaufszentrums verbarg.
Hinter dem neonbeleuchteten Schaufenster bemerkte er aus den Augenwinkeln die blonde junge Frau im modischen Trainingsanzug mit dem kurzen, jungenhaften Haarschnitt, die sich gerade mit einer gesetzten Dame unterhielt. Der autoritären Körpersprache nach musste sie die Chefin sein.
»Bingo«, dachte Deleu erleichtert. »Das ist es. Einkaufszentrum rein, erster Gang links, zweiter Gang rechts.« Auf den gelungenen Erfolg zündete er sich in Ruhe noch eine Zigarette an und überdachte die Situation.
Mein Gott, wie er einen solchen Zirkus hasste! Barbara wollte einen ganz bestimmten Trainingsanzug haben und brauchte die Jacke eine Nummer größer als die Hose. Es musste unbedingt ein Adidas-Modell sein. Sie hatten jetzt schon fünf Sportgeschäfte – also praktisch alle in Mechelen – abgeklappert.
Die kleine Charlotte hatte in dem Trubel natürlich ununterbrochen geweint.
Kinderwagen ein Stück nach links, dann wieder ein Stück nach rechts, erst ein kleiner Schritt vorwärts, dann ein kleiner Schritt rückwärts. Dazu Barbaras Verrenkungen in der Umkleidekabine. Wieder die falsche Kombination. Verkäuferin wird losgeschickt. Barbara will wissen, wo sich das andere Geschäft befindet. Dirk erhält den Auftrag, die Verkäuferin zu beschatten.
Im nächsten Moment hastete die Verkäuferin, die knochigen Arme mit einem Riesenberg von Trainingsanzügen beladen, schon wieder aus dem Geschäft heraus. Deleu dagegen beeilte sich nicht. Schließlich wusste er sowieso, wie es weitergehen würde.
Barbara würde sämtliche mitgebrachten Kleidungsstücke anprobieren. Zwar hatte sie die perfekte Kombination bereits gefunden, trotzdem schleppte sie ihn mit in dieses neu entdeckte Mekka.
Gerade als der Ermittler das überfüllte Sportgeschäft betrat, klingelte sein Handy.
»Deleu.«
»Ich bin’s, Jos. Bitte komm unverzüglich ins Kommissariat.«
»Was heißt unverzüglich? Ich bin mit Barbara einkaufen«, witzelte Deleu.
»Das ist kein Spaß.«
»Was ist passiert?«, fragte Deleu gespannt, keine Spur von Humor mehr in der Stimme.
»Wir sehen uns in zehn Minuten. Im Büro von
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