Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
mit der Meldung erhalten, er warte in der Tiefgarage auf sie. Als sie in Begleitung ihres Zuhälters nach einigem Suchen den BMW fand und die Tür öffnete, war Pardon bereits hinüber.« Bosmans schüttelte mit bedenklicher Miene das graue Haupt. »Die vorläufige Diagnose lautet Herzinfarkt. Er hatte seinen Penis in der rechten Hand, und im Wagen lagen drei aufgeschlagene Pornoheftchen.«
»Das kommt mir spanisch vor, Jos. Gerade jetzt! Das ist doch sicher ein abgekartetes Spiel.«
»Van Grieken schneidet ihn gerade auf, willst du mitkommen?«
»Na klar.«
»Übrigens hat bereits ein Notar, ein gewisser Devriese aus Brasschaat, bei uns angerufen. Er wollte wissen, ob Pardon eines natürlichen Todes gestorben oder gewaltsamums Leben gekommen sei. Ruck, zuck hat Verspaille sein Schwiegersöhnchen hingeschickt. Ich wüsste gerne Näheres über die Hintergründe. Würdest du …«
»Morgen, Jos. Komm, lass uns fahren.«
27
Gerichtsmediziner Van Grieken seufzte und zupfte an seinem Ziegenbärtchen.
»Mord, Jos. Meiner bescheidenen Meinung nach war es Mord.«
»Aber wie? Hast du irgendwelche Anhaltspunkte gefunden? Chemische Substanzen, Gift, irgendwas?«
»Hydrokution«, sagte Van Grieken bestimmt. »Ich habe mir die entsprechende Studie von Chefarzt Lartigue noch einmal gründlich durchgelesen und bin mir so gut wie sicher. Plötzlicher Kontakt mit Wasser, der einen lokalen Reflex auslöst. Dieser Reflex, verwandt mit dem anaphylaktischen Schock, äußert sich durch ungefährliche Symptome wie Ödeme, kann aber auch ernste vasomotorische und vegetative Störungen hervorrufen, gelegentlich begleitet von Atemstillstand, Ohnmacht oder sogar einem Schlaganfall. Außerdem hatte der Mann kurz zuvor gegessen und eine erhebliche Menge Alkohol im Blut.« Mit einem entschlossenen Zug um den Mund blickte Van Grieken abwechselndvon Bosmans zu Deleu. Beide waren zunächst sprachlos. »Aus Lartigues Studie geht nicht zuletzt hervor, dass Alkoholgenuss oder ein Verdauungsprozess diesen Effekt noch verstärkt.«
»Hm«, machte Deleu, ohne den Gerichtsmediziner anzuschauen, »klingt plausibel.«
Van Grieken warf ihm einen vernichtenden Blick zu und schüttelte den Kopf. »Außerdem habe ich oberflächliche Schürfwunden an beiden Ellenbogen und einen kleinen Bluterguss am Hinterkopf entdeckt.« Keine Reaktion.
»Robert Pardon war Herzpatient, Jos!«, sagte Van Grieken ungeduldig.
Bosmans, leicht irritiert, weil er den Gerichtsmediziner noch immer nicht richtig verstand, zuckte mit den Schultern.
Van Grieken nickte gottergeben, zog an einem der dicken Tränensäcke unter seinen Augen, ließ die Haut geschmeidig wieder zurückschnellen und sagte: »Hydrokution, Mijnheer Untersuchungsrichter, kann man mehr oder weniger mit einem Elektroschock vergleichen, der ebenfalls häufig einen Herzstillstand zur Folge hat. Beim Wasserschock geschieht Folgendes: Durch Mund und Nase drohen ganz plötzlich große Mengen Wasser in den Körper einzudringen, worauf der Organismus instinktiv heftig reagiert. Bei Herzpatienten kann so etwas tödlich sein.«
»Wie funktioniert das genau?«, fragte Deleu neugierig.
»Man kippt jemandem einfach einen Eimer Wasser über den Kopf«, warf Bosmans ein. Begleitet von Van Griekens amüsierten Blicken, fuhr er fort: »Ich habe mal einen ähnlichen Fall erlebt. Jemand liegt in der Badewanne und wird plötzlich mit voller Kraft unter Wasser gezogen. Wenn der Anschlag misslingt, kann man ihn als gelungenen Scherz tarnen, wenn er dagegen gelingt, ist es fast das perfekte Verbrechen.«
»Genau«, bestätigte Van Grieken mit belehrend erhobenem Zeigefinger. »Man trocknet das Opfer ab, zieht ihm die Kleider wieder an und deponiert es an einem Ort, an dem es kurz darauf gefunden wird.«
»Der Todeszeitpunkt stimmt also ungefähr mit dem Zeitpunkt überein, an dem die Prostituierte den Handyanruf erhielt«, unterbrach ihn Bosmans.
»Ganz genau«, antwortete Van Grieken mürrisch.
28
Dirk Deleu schlich in der Dämmerung an den Geschäften entlang, wobei er darauf achtete, nie zu lange in dem grellen Schaufensterlicht stehen zu bleiben, das halbmondförmig auf den Bürgersteig fiel. Er dachte über das nach, was ihm Jos Bosmans am Nachmittag erzählt hatte.
Die sterblichen Überreste der Frau, die man für Françoise Bourgeois gehalten hatte und die zusammen mit Nathalie Barthez bei dem Brand in Anduze umgekommen war, war von den Franzosen exhumiert und auf die Vermittlung der belgischen
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