Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
durch seine Macht aus dem Nichts gezogen hat.«
Ich begehe eine Tat, eine unumkehrbare Tat. Ich küsse ihre erstarrten Lippen und flüstere ihr ins Ohr.
Alles wird wieder gut.
Sie nickt verständnisvoll.
Sie hört mir zu, jetzt hört sie mir zu.
Oder tut sie nur so als ob?
Undankbare Nutte!
Ich springe auf und trete gegen ihren Kopf. Ich schleife ihre Leiche zum Zenne-Deich. Es geht wie von selbst, ich bin ein Hüne. Arnold Schwarzenegger in
Terminator II .
Durch meine Adern fließt kein Blut, sondern Stahlbeton. Ich hebe ihren entseelten Körper über meinen Kopf. Christopher Lambert in
Highlander II .
Sie fällt in den tintenschwarzen Schlamm. Ein Blitz im brodelnden Schwarz. Ihre Seele entfleucht dem menschlichen Dreck.
Das stimmt mich hoffnungsvoll.
Ich beruhige mich, ziehe mich aus, werfe meine blutige Kleidung dem Leichnam hinterher und mache mich nackt und in Gedanken versunken auf den Heimweg.
Mein Orientierungssinn lässt mich auch diesmal im Stich. Nichts wird sich jemals ändern.
Beklemmende Angst. Ich komme wieder zu mir.
Ich drehe mich um und um und um …
Mir ist kalt.
Verbist stöhnte und grub die Fingernägel tief in seine Haut. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Sie flossen ineinander, unaufhaltsam.
Soraya!
Der Kopf!
Ich habe ihn vergessen!
Meine Brust brennt wie Feuer.
Ich trete wild um mich. Grasbüschel fliegen nach allen Seiten. Der Kopf rollt durch das hohe Gras.
Ein Alptraum.
Nein, das ist die Wirklichkeit.
Warum habe ich das Messer mitgenommen?
Ich werfe mich ins Gras.
Ich küsse ihre gequälten Lippen.
»Wenn seine kalten, toten Lippen zum letzten Mal meinen anbetungswürdigen Namen stammeln, barmherziger Jesus, dann erbarme dich meiner.«
Ich schmecke das süße Blut.
Diese Art euphorischer Raserei habe ich nie zuvor erlebt.
Man kennt die eigenen Grenzen nicht.
Verbist schlug sich mit den flachen Händen auf die Wangen. Zwischen seinen Lippen quoll Speichel hervor und lief ihm am Hals hinunter. Dann hörte das Schlagen abrupt auf. Die Hände sanken schlaff hinunter, und ein flüchtiges Lächeln umspielte seine Lippen.
Gebückt schleiche ich zu unserem perfekt gebeizten Gartenhäuschen. Im Beizen bin ich richtig gut. Da gibt es kaum etwas zu kritisieren. Bei mir gibt’s keine Streifen.
Ich stecke Sorayas Kopf auf eine Stange und halte ihn hoch.
Vor unserem Schlafzimmerfenster.
Falls Yvette nicht schlafen kann und ein bisschen Luft schöpfen will.
Falls sie mich vermisst und suchend zum Fenster hinausschaut.
Nein, vergebliche Hoffnung, sie tut es nicht, niemals, sie schläft wie ein Stein, es ist Perlen vor die Säue werfen.
Ich hole eine Schaufel und hebe eine Grube aus, zwischen dem Rhododendron und dem Wacholder. Ohne nachzudenken, treffe ich meine Entscheidungen. Ein seliger Rausch. Jedes Mal, wenn ich Rasen mähe, werden wir ein Schwätzchen halten. Das verspreche ich hoch und heilig. Ihr weit aufgerissenes linkes Auge starrt ins Leere, das rechte ist geschlossen. Ich ziehe das Augenlid hoch – was mich an eine Szene aus
Uhrwerk Orange
erinnert – und befühle das Auge. Als ich meine Finger ablecke, schmecken sie salzig. Vielleicht mein eigener Schweiß.
Ihre Zunge hängt jetzt aus dem Mund, dick und blau, dürstend nach Erlösung. Äußerlich ruhig, aber innerlich in höchstem Alarmzustand – ich vergesse nicht mal, anschließend die Schaufel zurückzustellen – begrabe ich den Kopf mit dem Gesicht nach oben, damit sie zu mir aufschauen kann, wenn ich mich im Garten aufhalte oder am Schlafzimmerfenster stehe.
Ich trete die Grassoden wieder ordentlich fest, schrubbe in der Waschküche Arme, Gesicht, Beine und Füße sauber und dann, dann schleiche ich nach oben. Yvette schläft. Sie schwitzt und schnarcht. Ich kann in jener Nacht nicht schlafen. Ich habe eine Tat begangen. Gott lenkt, der Mensch denkt.
Der nächste Morgen.
Die erste Enttäuschung.
Verflixt, Herman, das ganze Bett ist voller Blut. Dein Furunkel ist wieder aufgeplatzt.
In der darauffolgenden Woche lebe ich in einem hektischen Fieberwahn. Mein Kopf dreht sich wie ein hochsensibler Radarschirm. Meine Sinne sind aufs Äußerste geschärft. Nicht, dass ich Angst habe, es ist nur die Aufregung. Ich lese die Zeitung von A bis Z. Ich sehe mir die Nachrichten auf allen Sendern an. Ich kneife mir in den Arm. Zum ersten Mal bekomme ich sie alle zu Gesicht, und jeder von ihnen erscheint mir vertraut: ihre Eltern, ihr Bruder, ihre Schwester, ihre
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