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Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn

Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn

Titel: Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luc Deflo
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spähte durch die beschlagene Scheibe. Er musterte sein Spiegelbild. Den Schnauzer, der einfach nicht wachsen wollte, hatte er mit Augenbrauenstift nachgemalt.
    Plötzlich fiel ihm ein, dass er schon einmal in dieser Kneipe gewesen war, in der phlegmatische Büroangestellte ihre kostbare Zeit vertrödelten. Nach kurzer Überlegung verzichtete er darauf hineinzugehen, denn er hatte sich vorgenommen, von nun an nicht mehr in die Kneipe zu gehen.
    Ein pflichtbewusster Vater hängt nicht in Kneipen rum. Obwohl man dort vielleicht eine potenzielle Mutter kennenlernen könnte. Nein, die trifft man nicht in einer Kneipe, eher auf Singlepartys. Aber auch da sind die mütterlichen Typen dünn gesät.
    Herman Verbist grinste bei der Vorstellung, aber gleich darauf fielen ihm die Umstände seines letzten Besuchs in dem Lokal wieder ein, und ihm verging das Lachen.
    Er hatte allein in einem stillen Eckchen gesessen und gedankenverloren in der Nase gebohrt, als er plötzlich bemerkte, dass so ein aalglatter Typ mit dem Anstecker einer Versicherungsgesellschaft an der Jacke ihn anstarrte. Neben ihm saß ein anderer Typ, vermutlich ein Kollege, und rührte hämisch kichernd in seiner Teetasse. Ein dritter flüsterte gerade einem mausgrauen weiblichen Wesen etwas ins Ohr und deutete in Verbists Richtung.
    Anstatt die Runde mit geballter Faust zur Rede zu stellen, war er aufgestanden und schwitzend zum Ausgang gelaufen. Im Vorbeigehen hatte er fünf Euro auf die Theke gelegt, obwohl sein Bier nur einen Euro fünfzig gekostet hatte.
    Eine Gänsehaut überlief Herman Verbist, als er sich daran erinnerte, wie er anschließend die ganze Nacht wach gelegen hatte. Krank vor Scham hatte er sich hin- und hergewälzt. Meist erhielt man keine zweite Chance, es solchen Typen mal richtig zu zeigen.
    Verbist ließ die Kneipe also links liegen, konnte es sich aber nicht verkneifen, in das Schaufenster des DVD -Verleihs zu blicken. Leider waren dort niemals die Hüllen von Porno-DVDs ausgestellt, die er sich so gerne ansah.
Wilde Nächte in Tirol
und
Ilsa, die Wölfin von der
SS
gehörten zu seinen absoluten Favoriten. Stundenlang hätte er die Bilder bewundern können.
    Früher, wenn seine Frau bei einer Tupperparty oder bei der Avon-Beraterin gewesen war, hatte er sich ab und zu in die Dorfvideothek geschlichen und sich fest vorgenommen, einen superheißen Porno auszuleihen. Aber er hatte sich nie getraut, mehr als einen Horrorfilm mit ein paar harmlosen Sexszenen mitzunehmen. Einen echten Porno auf die Theke zu legen hatte er sich dann doch zu sehr geschämt.
    Ilsa mit den dicken weißen Titten und der engen schwarzen Uniform hatte er zwei Mal unter die Jacke gesteckt, aber jedes Mal im letzten Moment wieder zurückgelegt.
    Ach, meine Vergangenheit, was für ein Elend. Jetzt hilft es nur noch, in die Zukunft zu blicken.
    Verbist blieb stehen.
    Jetzt könnte ich es doch eigentlich tun. Schließlich bin ich allein.
    Er ballte die Fäuste.
    Nein! Welcher Vater guckt sich Pornovideos an, wenn seine neun Monate alte Tochter im selben Zimmer schläft? Und was bringt das eigentlich? Fünf Minuten Spaß, eine Stunde Scham und eine beschmutzte Unterhose.
    Wichtchen kniff ihm in die Nase.
    »Mist! Ich habe nicht mal einen DVD -Player.«
     
    Nach einem tüchtigen Spaziergang betrat er schließlich den großen Supermarkt, in dem es beunruhigend voll war. Der kalte Schweiß brach ihm aus, genau wie damals in der Videothek mit der heißen Ilsa unter dem Mantel.
    Er drückte Wichtchen, die tief verborgen unter seiner Pilotenjacke steckte, fest an sich und spähte unter den schafwollgefütterten Kragen. Der Anblick ihres Gesichtchens im Schlaf beruhigte ihn.
    »Natural born killers«,
flüsterte er. »Ich und du, Wichtchen. Ich kaufe uns zwei Sonnenbrillen mit roten Gläsern.«
    Er unterdrückte ein Lächeln und zog den Reißverschluss seiner Jacke ein Stück weit herunter, um Wichtchen mehr Luft zu lassen. Als er an dem Fotoautomaten vorbeikam, lupfte er seine Kappe und strich sich die Haare glatt.
    Der Anblick seines Spiegelbilds mit dem Baby auf dem Arm wärmte ihn von innen. Dennoch blickten seine Augen traurig, als wüsste er, dass dieser innige Zustand nicht von Dauer sein konnte. Mit dem Jackenärmel wischte er sich Spuren des Augenbrauenstifts von der Wange.
    Er grinste. Auch Wichtchen, den Daumen fest im Mund, hatte einen schwarzen Strich auf der Wange. Verbist bog vorsichtig ihr Fäustchen auf und leckte ihre Fingerkuppen sauber. Danach zog er den

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