Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
ihn mit jungenhafter Nonchalance zurück.
Bauwens warf einen Blick auf seine Armbanduhr und hielt Bosmans stirnrunzelnd die Zeitung entgegen. »Eine Tasse Kaffee?«
Bosmans schüttelte den Kopf. Als er die Zeitung auseinanderfaltete und die Titelseite studierte, zeichnete sich ein grimmiger Zug um seinen Mund ab. Dort stand in riesigen Buchstaben:
Unschuldiger Bürger stirbt im Kugelhagel der Polizei!
»Unschuldiger Bürger …?«, murmelte Bosmans und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Bis zum Beweis des Gegenteils«, unterbrach Bauwens ihn. »Wurde er etwa jemals wegen eines Gewaltverbrechens verurteilt?« Der letzte Satz klang alles andere als fragend.
»Nein. Das nicht.«
»Voilà.«
Bauwens nahm die Brille ab, putzte sie und warf Jos Bosmans einen mürrischen Blick zu.
»Mach dir keine Sorgen, Diederik.« Lässig warf Bosmans die Zeitung in den Papierkorb. »Wir haben genügend Beweise, um Hinz und Kunz davon zu überzeugen, dass Van Cleynenbreughel eine mordlustige Bestie war. Heute schreien sie noch Zeter und Mordio, und morgen sind sie froh und glücklich, dass die Gerechtigkeit doch gesiegt und das Monster seine verdiente Strafe bekommen hat. Du weißt ja, wie so was läuft – vorzeitige Haftentlassung und so weiter. Darauf reagieren sie äußerst empfindlich.«
Der Staatsanwalt schnappte nach Luft.
»Womit ich natürlich nicht sagen will, dass der Tod von Van Cleynenbreughel nicht hätte vermieden werden müssen.« Bosmans schien über seine eigenen Worte verwundert. Fast vierzig Jahre im Beruf, das hinterließ seine Spuren.
»Sammel genügend Beweise und geh damit meinetwegen zur Presse, Jos. Aber möglichst schnell.«
Dieses Mal schaute Bosmans verblüfft auf.
Bauwens zupfte einen Fussel von seiner Hose und betrachtete ihn ausgiebig, als handelte es sich um ein außerordentlich wichtiges Beweisstück. »Wir sitzen in der Tinte, Bosmans. Ist dir das klar? Die Justiz wird mit Argusaugen beobachtet. Der Zustand ist kritisch. Ich hab in dieser bedauernswerten Angelegenheit einen Anruf vom Justizminister persönlich erhalten.«
Der Untersuchungsrichter, der nur mit halbem Ohr zuhörte, hatte die Zeitung inzwischen wieder aus dem Papierkorb gefischt. »Hm. Na und, Diederik?«
»Er gab mir klipp und klar zu verstehen, dass Vandurme,
sein
Föderaler Staatsanwalt, sich gegebenenfalls genötigt sehen werde, die Akte anzufordern. Das waren seine genauen Worte, Jos: ›… gegebenenfalls genötigt sehen werde, die Akte anzufordern‹.«
Bosmans schaute seinen Kollegen mit großen Augen an und stieß aufreizend langsam die Luft aus. »Na, das ist ja ein fabelhaftes Beispiel für Politikjargon«, kommentierte er leichthin. Doch dann verfinsterte sich seine Miene. »Ist es schon so weit, Diederik? Haben die widerlichen Spielchen bereits begonnen? Ich hätte es wissen müssen.«
»Ja, und ich habe nichts in der Hand. Dieser Fall betrifft verschiedene Justizbezirke.«
»Diese ganze Octopus-Reform ist eine Riesenfarce, Diederik. Dabei dreht sich doch alles nur noch um die Politik.«
»Der Zug ist längst abgefahren, werter Kollege. Der Gesetzesentwurf zum neuen Föderalen Staatsanwalt wurde angenommen, und das Los fiel auf Vandurme. Damit müssen wir uns nun mal abfinden.«
»Ja, Vandurme. Und der ist so regierungstreu wie nur was. Wenn wir nicht aufpassen, muss ein Opfer bald erst seinen Parteiausweis zeigen, ehe die Justiz aktiv wird«, brummte Bosmans. »Vor kurzem hatte ich einen potenziellen Mafia-Kronzeugen bei mir im Büro. Dieser Mann hätte einen wichtigen Fall knacken können. Aber ich musste ihn gehen lassen. Ich konnte ihm keine vernünftigen Zusicherungen machen. Wo bleiben sie denn mit
diesem
Gesetzesentwurf? Hast du das den Minister schon mal gefragt? Octopus? Lass mich bloß in Ruhe damit.« Bosmans wedelte abschätzig mit der Zeitung. Als er aufschaute, sah er, dass Bauwens ihn anstarrte. »’tschuldigung, Diederik. Tut mir leid. Du kannst ja auch nichts daran ändern. Wir stehen auf derselben Seite.«
»Ich kämpfe für meine Leute, Jos.«
»Ich weiß, Diederik.« Bosmans warf erneut einen Blick auf den Zeitungsartikel, und die Krähenfüße unter seinen Augen strafften sich. »
Ein Exklusiv-Interview mit Hilde Plaetinck
steht hier. Denen lass ich den Laden dichtmachen, verdammt noch mal! Woher haben die diese Informationen …?«
»Der Journalist hat sich offensichtlich als Pfleger verkleidet«, kam es trocken von der anderen Seite des Schreibtischs.
Wütend zerknüllte Jos
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