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Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Titel: Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luc Deflo
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würde sein gesamtes Leben an ihm vorbeirasen. Er streichelte Charlottes Köpfchen mit den seidenweichen Locken.
    Barbara! Was ist passiert?
    Als ihm endlich bewusst wurde, dass sie Charlotte niemals ihrem Schicksal überlassen hätte, brach ihm der Schweiß aus, und er presste eine Hand auf den Mund.
    Das Baby spürte seine Angst. Es begann wild zu strampeln und rutschte Deleu fast aus den Händen, der mit einem Ruck zu erwachen schien. Er betrachtete seine Tochter mit leeren Augen – Augen, die nichts registrierten. Nichts begriffen. Als er Charlotte wieder in den Kinderwagen legte, sah er zwischen den handbestickten Decken einen Papierfetzen. Dickes, glänzendes Papier. Der Rand war nur noch ein matschiger Brei.
    Deleus Zeigefinger zwängte sich zwischen Charlottes Lippen, und während das kleine Mädchen würgte, glitt der Finger über ihre Zunge und ihren Gaumen. Deleu atmete auf. Sie hatte nichts im Mund. Erleichtert streichelte er seiner Tochter über die Wangen und nahm den Papierfetzen.
    Es handelte sich um das Fragment eines Fotos, kaum zwei Zentimeter groß und zur Hälfte zerkaut. Viel ließ sich nicht mehr erkennen. Deleu glaubte, eine weiße Mauer zu sehen und die Eckstütze eines Holzbetts. Oder vielleicht eines Sofas. Unter dem Kinderwagen lagen noch mehr Papierschnipsel auf dem Boden – wahrscheinlich hatte Charlotte sie auf den Boden geworfen. Der Gedanke brachte Deleu fast zum Lachen. Er bückte sich, sammelte die Schnipsel auf und betrachtete den größten Fetzen. Dieselbe Mauer und ein Kopfkissen. Also handelte es sich tatsächlich um die Ecke eines Bettes. Als er das Bildfragment genauer studierte, sah er es plötzlich: Auf der Mauer prangten breite rote Flecken. In seinem Inneren klickte es, ein Anflug von Erkennen, tief in den Windungen seines Gehirns. Nervös betrachtete er die anderen Schnipsel. Mechanisch, wie eine Sortiermaschine.
    Auf einem der Fetzen waren eine Hand und ein Oberarm zu sehen, bekleidet mit einem weißen Nachthemd. Die Hand war zur Faust geballt. Das nächste Fragment zeigte einen Teil eines Gesichts. Ein weit aufgerissenes Auge, aus dem wahnsinnige Angst sprach. Dann die Knie eines Mannes. Neben dem rechten Knie … eine nackte Brust.
    Deleu riss die Decken aus dem Kinderwagen. Noch mehr Papierschnipsel. Und ganz hinten, in einer Ecke, ein großes, weißes Rechteck. Es hob sich grell von dem blauen Matratzenschoner ab. Das Polaroidfoto zitterte, als Deleu es vorsichtig in die Hand nahm und betrachtete. Atemlos. Verwirrt. Gequält.
    Schließlich drehte er das Foto um, schob es in seine Jackentasche, wollte es wieder hervorholen und bekam plötzlich keine Luft mehr. Er taumelte, besaß noch die Geistesgegenwart, nach dem Treppengeländer zu greifen, verfehlte es aber und stürzte die Stufen hinunter.
    Nach dem harten Aufschlag auf dem Boden war nur noch Charlottes monotones Greinen zu hören, die nach ihrem Vater quengelte.

[home]
    18
    D as graue Gesicht des piekfein gekleideten Dandys kontrastierte mit seiner farbenfrohen Krawatte.
    »Der Laden ist dicht«, brummte Pierre.
    Dem Geschäftsführer des Carhotels gelang es nicht, auch nur ein Wort herauszubringen. Stattdessen presste er die angehaltene Luft zwischen seinen blutleeren Lippen hervor. Dies bedeutete das Ende.
    Das Ende seines florierenden Geschäfts. Das Ende seines Lebenswerks.
    Sein hohler Blick wanderte von Pierre Vindevogel zu dem dicken Mann, der sich keuchend das Hemd in die Hose stopfte. Der Mann blähte die Wangen auf, und seine Augen zuckten unstet umher. »Ich verlange, dass mein Wagen sof…«
    »Bedaure, Herr Minister. Das geht wirklich nicht«, brummte Pierre.
    »Und wer … Wer glaubt, dass er …«
    »Untersuchungsrichter Jos Bosmans«, unterbrach Pierre den Politiker zum zweiten Mal. »Tut mir leid, aber wir müssen von jedem eine Aussage aufnehmen. Ohne Ausnahme.«
    »Ohne meinen Wagen gehe ich hier nicht weg. Und wenn die Presse auftauchen sollte, dann ist das hier Ihr letzter Fall. Dafür werde ich persönlich sorgen!«
    »Falls du dazu überhaupt noch Gelegenheit hast, Großmaul«, hörte der Minister den schielenden Ermittler murmeln, der gerade um die Ecke verschwand.
    Die Angst siegte über seinen Frust, und er stellte sich widerstrebend zu der Reihe anderer Ehebrecher. Der Geschäftsführer wollte den Dicken gerade am Arm packen, doch bevor er irgendetwas unternehmen konnte, warf Vanderkuylen ein: »Haben Sie hier irgendwo einen Raum, den wir als Vernehmungszimmer verwenden

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