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Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Titel: Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luc Deflo
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gerührt.« Das sanfte Timbre seiner Stimme wurde plötzlich rauh. »Warum habt ihr daran nicht schon eher gedacht? Nadia Mendonck. Hure!«
    Mendonck ächzte. Die Hand der Frau verkrampfte sich. Die Finger zuckten zurück. Mendonck versuchte noch, sie festzuhalten, doch vergebens. Sie zog ihren Arm zwischen den Gitterstäben hindurch zurück und hörte ein leises Schluchzen auf der anderen Seite der Mauer …
    Dort, wo Barbara Wittewrongel auf die Knie sank. Sie starrte auf ihre zitternden Hände und tastete nach dem Verband an ihrem Kopf. Der pochende Schmerz, das Gefühl allumfassender Verzweiflung. Plötzlich wurde ihr alles zu viel: Ein roter Schleier legte sich vor ihre Augen, und als alles um sie herum schwarz wurde, bekam sie nicht einmal mehr mit, dass sie auf den kalten Boden sank.
    *
    Als Dirk Deleu sich mühsam die Treppe zu seiner Wohnung hinaufschleppte, hörte er ein Baby weinen.
    Haben die Nachbarn unter mir ein Kind?
    Auf der zweiten Etage blieb er stehen und schaute zur Tür der Nachbarwohnung.
    Sie werden den Knirps doch nicht seinem Schicksal überlassen haben? Die beiden Junkies …?
    Dirk Deleu versuchte, durch das Schlüsselloch zu spähen. Aber offenbar steckte von innen ein Schlüssel, denn die Öffnung blieb dunkel. Er zögerte, nicht vollkommen überzeugt, dass das Weinen auch wirklich aus dieser Wohnung kam. Aber woher sollte es sonst kommen? Die Wohnung im Erdgeschoss stand leer, und im ersten Stock wohnte ein älteres Ehepaar.
    Deleu lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand. Das Weinen des Babys hatte in ihm ein seltsames Gefühl geweckt. Angst. Verlustangst.
    Nadia.
    Der Film der vergangenen Monate zog träge an seinem inneren Auge vorbei. Sein Fehltritt mit Danielle Orolavi. Der Bruch mit Barbara. Sein Verhältnis mit Nadia. Stürmisch, als würde man plötzlich in einen Strudel gerissen und sich dem süßen Gefühl des Loslassens hingeben. Oder der Selbstverleugnung. Schwerelos schweben. Wirbeln, trudeln, kreiseln. Doch dann kommt die Atemnot. Der Sauerstoffmangel. Man schnappt nach Luft, weiß nicht mehr, wo oben oder unten ist. Was gut oder schlecht ist.
    Deleu presste die Lippen aufeinander, als könnte er den Schmerz kosten. All die einsamen Stunden, ruhelos zwischen den Laken wälzend.
    Nadia, bei der er sein Herz ausgeschüttet hatte und die es nun ebenfalls fühlte. Nadia, die nun auch seine Schuldgefühle auf ihren Schultern trug. Nadia, die Barbaras Freundin gewesen war.
    Plötzlich sah er sie vor sich: Die junge, frische, sinnliche Nadia Mendonck. Jung und ihrer selbst vollkommen sicher. Sie trug ein gelbes Top mit passend lackierten Finger- und Fußnägeln. Jung und selbstbewusst. Blendend schön.
    Wo bist du, Nadia? Ich will bei dir sein. Ich liebe dich. Nur dich allein.
    Und dann sah er die Nadia von heute: Sie war schwanger. Von Frank Tack, seinem Rivalen, oder von ihm selbst. Er sah ihre Bewegungen, ihren energischen Gang. Ihre mädchenhafte Ausstrahlung, gewürzt mit einer Dosis Lebenserfahrung. Und genau in dem Moment, in dem er begriff, dass er sie unendlich liebte, heute, jetzt, hier, gellte ein durchdringendes Geschrei durch den Flur. Ein weinendes Baby.
    Deleu musterte die Wohnungstür im zweiten Stock ein weiteres Mal. Das Geräusch kam nicht von dort. Er bog den Kopf in den Nacken und schaute nach oben. Mit großen, ungläubigen Augen.
    Oben. Meine Wohnung!
    Hastig stürmte er die Treppe hinauf, drei Stufen auf einmal nehmend. Auf dem obersten Absatz blieb er stehen. Er spürte, wie sein Blut in den Schläfen pochte, und obwohl er fast erstickte, schnappte er nicht nach Luft.
    Der Kinderwagen war marineblau. Sehr dunkel, mit kleinen, in den Stoff gewebten, weißen Störchen. »Peg Perego« las er an der Seite des soliden Handgriffs aus schwarzem Kunststoff. Es handelte sich um Barbaras Kinderwagen. Und um seinen. Um Charlottes Kinderwagen.
    Mit steifen Beinen ging Deleu auf den Kinderwagen zu. Wie ein Zombie. Als er die lachsrosa Decke ein Stück zur Seite zog, traute er kaum seinen Augen. Er begriff einfach nicht, was er sah.
    Charlotte.
    Das Baby, seine Tochter, hörte prompt auf zu weinen, und ihre Augen suchten die ihres Vaters. Ein Funken des Wiedererkennens flackerte darin auf. Doch dann schrie sie sich wieder die Lunge aus dem Leib und strampelte wild mit den Beinen. Sofort streckten sich zwei Hände in den Kinderwagen. Deleu riss seine Tochter hoch und presste sie an sich. Er musste sich zurückhalten, um sie nicht zu fest zu drücken. Es schien, als

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