Bote des Todes
Blick über die Schulter. Niemand.
Das Gefühl hielt sich beharrlich. Es machte ihn nervös. Es war fast so, als würde er nur im Geist die Schritte seines Verfolgers hören können.
Als würde er den Atem seines Verfolgers im Nacken spüren.
Vielleicht wurde er ja wirklich verfolgt – von einer Horde Kobolde, Zwergen in grüner Kleidung, die ihm nachliefen.
Vielleicht war er aber auch nur wieder zu lange zu Hause gewesen und hatte die Geschichten mitbekommen, die seine Eltern und seine Großmutter den Kindern erzählten.
Geschichten von Elfen, spitzbübischen Kobolden …
Und nicht zu vergessen die Todesfeen, schwarze Schatten, die einem Mann nachstellten, die in der Nacht laut heulten und seinen Tod ankündigten.
Er sah sich erneut um und suchte mit seinen Blicken die Straße ab.
Doch da waren keine Elfen, keine Kobolde und auch keine Todesfeen. Das Gute und das Böse auf der Welt ging nur von den Menschen aus.
Entschlossen ging er weiter. Er hatte sich entschieden, und er würde das machen, was er für richtig hielt.
6. KAPITEL
M oira stellte erfreut fest, dass sich ihre Mutter vor der Kamera völlig natürlich gab. Nach den ersten Minuten Nervosität hatte sie sich schnell an die Kamera, die Scheinwerfer und den Mikrofongalgen gewöhnt, der von einem ihr wildfremden Menschen gehalten wurde. Katy Kelly liebte es zu kochen. Sie war in ihrem Element, während sie ihren Töchtern Anweisungen gab und davon erzählte, wie sie als kleines Mädchen in Dublin gelebt hatte, wie sich die Zeiten doch geändert hatten, wie viel aber gleichzeitig auch beim Alten geblieben war. In ihre Arbeit vertieft, die auch darin bestand, Colleen anzuweisen, auf den Kohl zu achten, Moira die Verantwortung für das Fleisch zu übertragen und Siobhan dafür sorgen zu lassen, dass die Mischung aus gehacktem Kohl und Zwiebeln für den Colcannon richtig sautiert war, schaffte sie es, nebenbei über das irische Temperament zu reden. Zu viele Menschen sehen Irland als eine gespaltene Insel, meinte sie, aber sie vergessen, dass sie über die Jahre hinweg alle zu Iren geworden waren.
Nordirland war zwar rein politisch gesehen ein Teil von Großbritannien, aber Irland war ein wunderbares Land, dessen Geist jeden beseelte, der es liebte. Die Wikinger waren dort eingefallen und hatten große Verwüstungen angerichtet, doch dann hatten sich viele von ihnen niedergelassen und waren dort geblieben. Die Engländer hatten ab dem elften Jahrhundert begonnen, das Land zu erobern. Allerdings hatten einige der bekanntesten irischen Familiennamen bei diesen frühen Invasoren ihren Ursprung. Ire zu sein bedeutete mehr, als nur auf der Insel geboren zu sein, und es war mehr als ein Erbe. Es war ein Geist der Wärme, des Geschichtenerzählens, einer besonderen Magie, und das steckte heute auch in vielen Amerikanern.
Als sie während der Aufnahmen einmal Josh ansah, gab Moira ihm mit ihren Blicken zu verstehen, wie froh und erstaunt sie über die entspannte Art ihrer Mutter vor der Kamera war. Josh reagierte mit einem breiten Lächeln und hielt den Daumen nach oben. Es würde eine gute Sendung werden. Ihre Familie war einfach fantastisch, und es würde alles bestens verlaufen.
Eamon Kelly strahlte vor Stolz auf seine Frau. Als Moira die beiden so sah, wurde ihr klar, wie glücklich sie sich schätzen konnte. Die Eltern vieler ihrer Freunde waren längst geschieden, und viele ihrer Bekannten hatten nie erfahren, was es bedeutete, in einem Haushalt mit Mutter und Vater aufzuwachsen. Ihre Eltern waren nicht wegen der Kinder oder aus irgendeinem anderen praktischen Grund zusammen, sondern weil sie sich noch immer liebten.
Michael und Josh verstanden sich großartig mit ihrer Familie, und auch die Crew war erstklassig. Zwischendurch sah sich Moira das bereits gedrehte Material noch einmal an und war sehr zufrieden. Katy, erfreut, dass es so gut gelaufen war, lief rot an, als ihre Familie und das Filmteam ihr gratulierten. Sie verhielt sich wie ein Profi, wenn Josh sie bat, den einen oder anderen Arbeitsgang zu wiederholen, damit der Kameramann sich auf einige der Details konzentrieren konnte.
Die Kinder waren am Tisch gefilmt worden, aber kurz nach dem Dreh hatten sie sich davongemacht. Während Josh damit beschäftigt war, erste Entscheidungen zu treffen, wie die Szenen geschnitten werden sollten, ging Moira ins Wohnzimmer. Granny Jon hatte sich dort niedergelassen und strickte, während sie darauf wartete, als Nächste vor die Kamera zu treten und sich
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