Bote des Todes
ihr.
Siobhan war mit ihren langen blonden Haaren und ihren dunkelblauen Augen eine hübsche Frau. Sie sah wunderbar aus, aber auch erschöpft. Sie war noch schlanker geworden, und ihr Gesicht war blass. Unter den Augen lagen leichte Schatten, die auch unter dem geübt aufgetragenen Make-up nicht verschwinden wollten.
„Moira, hey!“
„Siobhan, du siehst großartig aus“, sagte sie und umarmte ihre Schwägerin, während sie überlegte, ob man ihren Worten die Lüge hatte anmerken können.
„Danke, aber ich fühle mich heute Morgen hundeelend“, erwiderte sie lachend. „Wir drehen also eine typische, natürliche, völlig ehrliche und absolut spontane Szene in der Küche, habe ich gehört?“
„Völlig spontan“, stimmte Moira lachend zu. „Auch wenn du fünfmal die Tür aufmachen musst, damit wir die richtigen Einstellungen bekommen, wirst du völlig spontan wirken.“
„Das war nicht ernst gemeint. Du willst mich auch dabeihaben?“
„Klar, es wird lustig werden. Wir werden erst Scones backen, damit die Kinder sie im Wohnzimmer essen können, und dann gehen wir vier in der Küche ans Werk. Eine richtige Familienangelegenheit.“
„Eine Familienangelegenheit? Und was machen die Männer?“
„Die filmen wir, wie sie auf der Couch rumhängen, Bier trinken, sich ungeniert kratzen und ein Football-Spiel ansehen.“
Siobhan lachte. Eamon Kelly, der das Gespräch mitbekommen hatte, legte sofort Protest ein. „Tochter, wie kannst du nur so was sagen?“
„Eamon, beklag dich nicht“, rief Danny, der am Küchentisch saß und mit der vergnügt kichernden Molly spielte. „Auf der Couch sitzen, Bier trinken, Football sehen – und sich dann und wann gepflegt kratzen – klingt für mich nach einer guten Methode, den Tag zu verbringen.“
„Dad, jeder weiß, dass du wie ein Pferd schuftest“, sagte Moira, während sie Danny ignorierte. „Du setzt dich auf die Couch und lässt es gemütlich angehen.“
„Ich werde unten sein und mich um den Pub kümmern, Mädchen, und das weißt du“, erklärte Eamon.
„Ich mache den Pub für dich auf“, schlug Danny vor. „Auf die Weise kannst du deiner Tochter bei der Arbeit zusehen.“
„Ich habe um ein Uhr wirklich einen Termin“, sagte Patrick bedauernd.
„Patrick“, erwiderte Siobhan. „Ich dachte, wir würden diesmal Urlaub mit der ganzen Familie machen.“
„Liebling, das ist eine Sache, die dauert gerade mal eine Stunde. Es ist ein wichtiger Klient“, beschwichtigte er sie.
„Auntie Mo!“ rief Molly wie aus heiterem Himmel. „Geschenke!“
„Molly!“ Diesmal war es Siobhan, die sie zurechtwies.
„Ich habe ihr vor zehn Minuten ein Geschenk versprochen. Wenn man vier ist, dann ist das eine halbe Ewigkeit“, sagte Moira. „Hier, Molly. Fang!“
Sie warf Molly den verpackten Plüschkobold zu, den sie aber nicht schnappte. Danny hob für sie das Geschenk vom Boden auf, während Moira Brian und Shannon ihre Mitbringsel gab. Dann nahm sie die Spieldose und stellte das Päckchen ihrer Mutter hin.
Katy sah sie fragend an.
„Es wollte unbedingt zu dir.“
„Moira, es ist weder Weihnachten, noch habe ich Geburtstag …“
„Mum, beruhige dich“, sagte Colleen gut gelaunt. „Mach es einfach auf, lass uns alle ‚ooh‘ und ‚aah‘ rufen, und dann bedank dich bei Moira.“
Katy lächelte verlegen, dann machte sie ihr Geschenk fast so schnell auf wie die Kinder. Molly war glücklich über ihr neues Spielzeug, und Patrick sagte begeistert: „Wow, das ist ja cool.“
Moira sah ihre Mutter an, die die Augen vor Freude weit aufriss, als sie die zierliche Elfe ausgepackt hatte.
„Moira, die ist ja wunderschön.“
„Es ist eine Spieldose.“
„Und was spielt sie?“
Moira nahm sie, um sie aufzudrehen.
„‚Danny Boy‘“, sagte Danny leise, noch bevor der erste Ton erklungen war.
Moira warf ihm einen langen Blick zu, während alle anderen die kleine Figur betrachteten. Sie fand, dass er sie seltsam ansah. Das Licht im Zimmer ließ seine Augen goldfarben und zugleich ungewöhnlich verschlossen wirken.
„Woher hast du das gewusst?“ fragte sie ihn.
„Gut geraten“, antwortete er schulterzuckend. „Hey, der Speck brennt an.“
„Jesus!“ rief Katy erschrocken aus, als sie sah, dass Qualm aus der Pfanne aufstieg.
„Ich mache das schon, Mum. Stell du die Spieldose auf den Kamin“, sagte Moira und wendete den Speck in der Pfanne.
„Ich kümmere mich um die Eier“, bot Colleen an.
„Danny, Patrick, ihr holt den
Weitere Kostenlose Bücher