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Bote des Todes

Bote des Todes

Titel: Bote des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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Schweißperlen gebildet hatten.
    „Ich soll dir nicht noch bei der Treppe behilflich sein?“ fragte Patrick zweifelnd.
    „Nein, nein. An dem Tag, an dem ich die paar Stufen nicht mehr schaffe … tja, an dem Tag werde ich mir eine Wohnung im Erdgeschoss suchen.“
    Er steckte den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und ging ins Treppenhaus. Er winkte Patrick zu, der zurückwinkte und dann ging.
    Seamus nahm zwei Stufen auf einmal. „Na bitte“, sagte er zu sich selbst. „Noch immer so schnell wie ein junger Gott, wenn es sein muss.“
    Auf dem Treppenabsatz angekommen, fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, die Haustür hinter sich abzuschließen. Er hatte seinen Begleiter so rasch loswerden wollen, dass ihm das völlig durchgegangen war. Jetzt war ihm der Gedanke unbehaglich, dass die Tür nicht abgeschlossen war, und er machte sich noch einmal auf den Weg nach unten.
    Während er eine Stufe nach der anderen zurücklegte, hörte er, wie die Haustür geöffnet wurde. Er vernahm das markante Quietschen und kniff die Augen zusammen, um zu sehen, wer da ins Haus gekommen war. Die Straßenlampe zeigte den Besucher aber nur als schwarze Silhouette, ein Mann mit Hut und Mantel. Mehr konnte er nicht erkennen.
    „Seamus, Seamus, Seamus. Schäm dich, Seamus.“ Die Stimme war tief und kehlig und bedrohlich. Und sie klang nach der alten Heimat.
    In diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er zu viel wusste und zu viel gesagt hatte.
    Er drehte sich um und eilte mit rasendem Herzschlag los. Es war nicht sehr weit bis zu seiner Wohnungstür. Außerdem
war
er so schnell wie ein junger Gott.
    Er verfehlte die erste Stufe, verlor das Gleichgewicht und fiel hin.
    Hart schlug er mit dem Kopf auf. Sein ganzer Körper schmerzte.
    „Tut mir Leid, alter Mann, tut mir Leid“, sagte der Fremde mit dem irischen Akzent. Seamus nahm entfernt wahr, dass jemand auf ihn zukam. „Wirklich, alter Mann. Aber ich kann das Risiko nicht eingehen, dass du mich auffliegen lässt. Es darf mir einfach nichts in den Weg kommen.“
    Seamus wollte schreien. Er hatte gelogen. Der alte Kowalski war stocktaub, er war nie verheiratet gewesen, und Kinder hatte er erst recht keine. Trotzdem wollte er schreien.
    Er konnte es nicht. Er spürte einen kräftigen Griff. Der Mann hob ihn hoch, und dann fiel er. Er fiel und fiel, und nichts schien seinen Sturz zu bremsen.
    Als er diesmal landete, spürte er für einen Moment einen schrecklichen Schmerz.
    Dann zerbrach etwas, und sogleich war der Schmerz verschwunden.
    Auf dem Weg zum Schlafzimmer bemerkte Moira, dass etwas Eckiges, Flaches auf dem Küchentisch lag. Es handelte sich um eine Videokassette. Sie hielt das Etikett ins dämmrige Licht und erkannte die Handschrift ihres Bruders, der offenbar etwas aus dem Fernsehen aufgenommen hatte: die Unruhen in Irland und ihre Folgen. Sie wollte das Band wieder hinlegen, zögerte dann aber. Sie hatten ihr ganzes Leben lang so gut wie alles geteilt, und Patrick hatte das Band so liegen lassen, dass es jeder sehen konnte. Sie nahm es mit.
    Spionierte sie ihm nach? Vielleicht. Aber sie wollte auch wissen, was Patrick so trieb.
    Sie legte die Kassette in den Rekorder in ihrem Zimmer und sah sich die Aufnahme ein oder zwei Minuten lang an. Es schien sich um kaum mehr als einen Reisebericht zu handeln. Sie gähnte und ging ins Bad, wusch sich das Gesicht und putzte sich die Zähne, während sie weiter der Aufnahme lauschte. Sie hörte Musik und einen Sprecher, der etwas über traditionelle irische Lieder und Tänze erzählte.
    Bislang war nichts Verdächtiges zu hören gewesen.
    Sie ließ das Band weiterlaufen, während sie rasch duschte. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, ging sie ins Schlafzimmer, zog ein T-Shirt über, auf dem eine gähnende Katze zu sehen war. Tanz und Musik aus Irland waren vorüber, der Sprecher hatte sich den „Problemen“ zugewandt, jenen dreißig Jahren der Gewalt, die Nordirland seit dem späten zwanzigsten Jahrhundert fest im Griff hatte. Der damalige Präsident Clinton tauchte auf und sagte: „Ich glaube nicht, dass eine Umkehr eine Option ist.“
    Moira spulte das Band zurück. Der Sprecher berichtete über Clintons Besuch, seine Treffen mit dem irischen Premierminister Bertie Ahern sowie Gerry Adams und Martin McGuinness von der Sinn Féin. Seine Reise nach Dundalk wurde diskutiert, jener Stadt unmittelbar südlich der Grenze zu Nordirland, die lange Zeit Rekrutierungsort der so genannten Real IRA gewesen war. Die linksradikale

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