Bote des Todes
schon als kleines Kind die Tische abgeräumt. Warum sollte ich Angst davor haben, mitten in der Nacht hier herumzulaufen?“
Er betrachtete sie und dachte einen Moment lang über ihre Frage nach.
„Weil es das Böse auf der Welt wirklich gibt. Als du ein Kind warst, haben dir deine Eltern beigebracht, dich vor Fremden in Acht zu nehmen. Denk nur an Son of Sam, der in den siebziger Jahren in New York sein Unwesen trieb, an den Würger von Boston, Jack the Ripper.“
„Schön und gut. Aber von denen hat niemand einen Schlüssel zum Pub meines Vaters.“
„Ja, aber zurzeit ist dein Bruder hier, ich bin hier, deine Mitarbeiter sind hier. Da kann es passieren, dass mal eine Tür offen bleibt.“
„Danny, warum sagst du mir nicht einfach die Wahrheit?“
„Was meinst du?“
„Ich meine das, was hier läuft.“
„Ich bin in nichts eingeweiht, was hier laufen könnte.“
Sie betrachtete ihn einen Moment lang und ließ ihre Blicke über seinen ganzen Körper wandern. Danny war wirklich durchtrainiert. Er hätte mühelos die Titelseite eines Magazins für Kampfsport schmücken können. Wieder fragte sie sich, warum ein Autor in so exzellenter physischer Verfassung war.
„Wie du meinst, Danny“, murmelte sie und wandte sich um.
„Moira.“
„Was?“
„Du weißt, dass
du
Dinge vor
mir
verheimlichst.“
„Ach?“
„Zum Beispiel, was vorgestern Abend auf dem Fußweg passiert ist.“
„Ich bin ausgerutscht.“
„Vertrauen ist eine Frage von Geben und Nehmen, Moira.“
„Stimmt.“
„Also?“
„Ich sehe nicht, dass mir jemand etwas geben will, Danny. Also werde ich auch nichts geben.“
Sie drehte sich wieder um, aber er hielt sie am Arm fest. „Moira, hör mir zu. Wenn du irgendetwas Seltsames bemerkst, dann ist es wichtig, dass du mir das sagst.“
„Ich werde daran denken.“ Ein leichtes Unbehagen ergriff von ihr Besitz, als sie auf seine Hand sah, die ihren Arm umschlossen hielt. „Ich muss jetzt nach oben gehen, Danny.“
Er ließ sie los. Moira ging nach draußen, zog die Tür leise hinter sich zu und schloss oben die Tür zur Wendeltreppe hinter sich ab. In ihrem Zimmer nahm sie die Videokassette und legte sie dann zurück auf den Tisch, auf dem sie sie entdeckt hatte. Es war noch sehr früh am Morgen. Sie duschte und zog sich an, dann setzte sie sich in ihr Zimmer und sah zögernd zum Telefon. Nach einer Weile ging sie ins Wohnzimmer und entdeckte die Zeitung vom Sonntag, in der ein Interview mit Jacob Brolin abgedruckt war. Es ging um seinen anstehenden Besuch in Boston, und es wurde auch das Hotel erwähnt, in dem er wohnen würde.
Als sie wenig später in die Küche kam, musste Moira feststellen, dass ihre Mutter bereits aufgestanden war und das Frühstück vorbereitete. „Mum“, sagte sie, ging zu ihr und legte ihr von hinten die Arme um die Taille.
„Moira, Schatz, es ist noch so früh.“
„Stimmt.“
„Was steht heute auf dem Plan?“
„Also heute Abend werde ich auf jeden Fall Dad im Pub helfen.“
Katy drehte sich um und legte die Hände um das Gesicht ihrer Tochter. „Ihr Kinder seid nicht für den Pub verantwortlich.“
„Aber es macht Spaß, und außerdem helfe ich Dad gern. Und die Sendung entwickelt sich auch ganz hervorragend.“
„Dann bin ich froh. Immerhin habe ich dich dazu gedrängt, nach Hause zu kommen.“
„Dad ist in guter Verfassung“, sagte Moira lächelnd.
Katy zuckte mit den Schultern und seufzte. „Er musste eine ganze Reihe von Untersuchungen über sich ergehen lassen. Ich war besorgt, weil er so viel arbeitet. Aber der Arzt hat mir erklärt, dass ihm die Arbeit gut tut. Und ein Ale am Tag ist auch nicht gefährlich. Es gibt zu viele Männer, die in den Ruhestand gehen und dann überhaupt nichts mehr machen. Das ist nämlich ihr Tod, sagt der Arzt.“
„Du weißt, wer zu viel arbeitet?“ fragte Moira.
„Wer?“ Katy sah sie verwundert an.
„Du.“
„Ach, Moira, das stimmt doch nicht.“
„Doch. Du kochst und kochst und kochst!“
„Wenn dein Dad und ich allein sind, dann gibt es morgens nur Haferbrei. Außerdem bereite ich ihm nicht sein Frühstück, weil er ein Tyrann ist und mich dazu zwingt, sondern weil es mir Spaß macht. Ich bin gerne Ehefrau und Mutter. Ich bin überglücklich, dass es meinen Kindern so gut geht und sie so viel erreicht haben. Ich bin mit dem zufrieden, was ich habe.“
„Das weiß ich, Mum. Aber heute …“ Moira hielt inne, da sie sich ein wenig schuldig fühlte. Ihre Mutter bekannte
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