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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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selbst, heimlich, still und leise, ihre eigenen Gedanken dazu gemacht. Als heranwachsender Mensch, mit einer mindestens durchschnittlichen Intelligenz, konnte man seine Augen nicht davor verschließen, dass viele Menschen in aller Welt ihrer Konfession einen beachtlichen Stellenwert einräumten. Ab einem gewissen Punkt kam man nicht daran vorbei, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
    Heike kam zu dem Ergebnis, dass da nichts war, woran es sich zu glauben lohnte.
    Und jetzt stand dieser fremde Mann in ihrem Wohnzimmer und behauptete, mit beängstigender Bestimmtheit, ihre mühsam entwickelten Prinzipien ad absurdum führen zu können. Dabei war sie nicht mal sicher, ob sie eine solch gravierende Veränderung ihres Weltbildes überhaupt zulassen wollte, geschweige denn verkraften konnte.
    So wie es bisher lief, war es gut. Zumindest hatte sie nie das überwältigende Gefühl gehabt, dass irgendetwas fehlen würde. Von daher hatte sie eine ganze Menge zu verlieren. Es war natürlich vollkommen ausgeschlossen, dass er seine Show durchziehen konnte – aber er war so verdammt überzeugt von dem, was er sagte!
    »Mir… mir fällt nichts ein. Das ist irgendwie lächerlich. Lassen Sie von mir aus etwas schweben, oder machen Sie die Nummer mit meinem Freund. Beeindrucken Sie mich einfach.«
     
     
    Es sollte wohl unbeschwert und zynisch zu klingen. Zu Gregors stiller Freude ging der Versuch gründlich in die Hose.
    Er verschränkte die Arme und knetete seine Unterlippe. Es musste etwas sein, dass nicht in jeder x-beliebigen Illusionistenshow zum Standardrepertoire gehörte, etwas, womit sie nicht rechnete. Schwebende Gegenstände waren zwar sehr einfach, aber auch abgedroschen. Schließlich wollte er sie nicht unterhalten, sondern von etwas überzeugen.
    Mit einem Fingerschnippen begrüßte er die geeignete Idee. Er ging langsam auf die junge Frau zu, die ihm instinktiv auszuweichen versuchte.
    »Meine liebe Heike. Ich bitte dich inständigst, mir zu vertrauen. Wenn ich dir etwas tun wollte, hätte ich das doch schon längst gemacht, oder meinst du nicht? Du brauchst wirklich keine Angst vor mir zu haben. Bitte, vertrau mir!«
    Widerwillig blieb sie stehen und ließ zu, dass er sich ihr bis auf wenige Zentimeter näherte.
    Gregor wünschte sich, er hätte dieses Argument schon gleich zu Beginn gebracht.
    »Ich werde jetzt ganz locker meine Hand auf deine Schulter legen, okay?«
    Sie nickte stumm. Misstrauisch beobachtete sie, wie der vermeintliche Engel seine Ankündigung wahrmachte. Sie spürte seine Hand, die jedoch keinen Druck ausübte.
    »Lass uns doch ein paar Schritte zur Tür gehen. Ganz langsam.«
    Sie nickte erneut, und die beiden gingen langsam, Schritt für Schritt, in Richtung Wohnzimmertür.
    »Ist dir die Theorie bekannt, dass der menschliche Körper nur eine sterbliche Hülle ist, eine Art Herberge auf Zeit für die unsterbliche Seele?«
    »Davon hat, glaube ich, jeder schon einmal gehört«, antwortete sie unsicher.
    Der Bote nickte. »Glaubst du daran?«
    Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu und zuckte mit den Schultern.
    »Mir gefällt die Vorstellung. Aber daran glauben?… Nein, ehrlich gesagt, nicht. Das ist wie mit dem Glauben an Gott. Es gehört irgendwie zusammen, und Sie wissen ja bereits, wie ich darüber denke.«
    »Das ist wahr! Wenn ich also einen Weg fände, dir hier und jetzt zu demonstrieren, dass diese Theorie Realität ist, wärst du dann bereit, mir zu glauben?«
    Sie zuckte unsicher mit den Schultern.
    »Wie wollen Sie das anstellen?«
    Gregor lächelte sie an. »Oh, das ist gar nicht schwer, vier simple Worte. Dreh dich mal um!«
    Die junge Frau legte die Stirn in Falten, drehte sich um… und war sprachlos.
    »Pass auf, dass du dich nicht in der Schnur verhedderst!«, warnte Gregor sie.
    Mit sedierter Stimme sagte sie: »Welche Schnur?«
    »Die in deiner rechten Hand.«
    In Zeitlupe drehte sie ihren Kopf zum Boten und von dort zu ihrer rechten Hand. Sie hielt eine silberne Schnur umklammert, deren anderes Ende am Solarplexus des Körpers befestigt war, dessen Anblick sie vor wenigen Sekunden in den Grundfesten ihres Glaubens erschüttert hatte.
    »Ist das… bin ich das?«
    »Ja und nein. Du bist hier bei mir. Das dort drüben ist deine sterbliche Hülle. Der maßgeschneiderte Körper von Heike Kamp, den es irgendwann nicht mehr geben wird. Möglicherweise wirst du eines Tages einen anderen tragen, den du dann ebenfalls wieder verlassen wirst, bevor er zu Staub zerfällt.

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