Bote ins Jenseits
suchte, wie Musiol. Das Shirt war zwar gerade in der Wäsche oder in seinem Schrank, aber er hatte es trotzdem an.
Er hatte es immer an!
Musiol spürte die Blicke von zwei Augenpaaren auf sich ruhen, die auf eine Reaktion von ihm warteten. Sogar die kleine Töle auf dem Arm des Fremden schien ihn herausfordernd anzusehen, und er fühlte sich – natürlich völlig zu Unrecht – unter Druck gesetzt. Er hasste es, wenn man ihn drängte, erst recht, wenn Tiere sich daran beteiligten.
Kamp bemerkte den argwöhnischen Blick, mit dem Musiol ihn bedachte, und konnte förmlich sehen, wie es in dem Kerl arbeitete. Eigentlich war es vollkommen ausgeschlossen, dass der Typ etwas merkte oder auch nur ahnte, aber Kamp wusste, dass er trotz all seiner negativen Eigenschaften ziemlich intelligent war. Außerdem hatte Musiol ein Faible für bewusstseinsverändernde Substanzen. Solche Menschen waren der anderen Seite wahrscheinlich wenigstens einen kleinen Schritt näher als alle anderen. Kamp fühlte einen vagen Anflug von Nervosität in sich aufsteigen.
Die junge Frau an Musiols Seite rettete die Situation, indem sie ihrem Ex-Freund den Ellenbogen gegen den Arm rammte.
»Aua! Was…«, fuhr Musiol sie an.
Sie sah ihn unbeeindruckt an und wackelte dabei mit dem Kopf.
Musiol seufzte. »Na schön. Kommen Sie rein. Ich hoffe, es wird wirklich nicht lange dauern.«
Sie setzten sich an den Tisch, an dem Musiol von seiner Ex-Freundin vor wenigen Minuten noch die Karten gelegt bekommen hatte. Gregor behielt Kamp auf dem Schoß, was Musiol mit einem missbilligenden Blick honorierte.
»Also, was genau wollen Sie wissen?«, fragte er ohne echtes Interesse.
»Wie gesagt, mein Auftraggeber ist die Schwester des Verstorbenen. Man hat ihr als offizielles Ergebnis der Untersuchungen mitgeteilt, dass ihr Bruder einem bedauerlichen Unfall zum Opfer fiel.«
»Ja, man hört so einiges darüber«, sagte Musiol gedehnt.
Die junge Frau atmete tief durch und sah ihn verzweifelt an.
»Was ist denn jetzt schon wieder? Warum siehst du mich so an?«
Gregor und Kamp bedachten einander mit einem bedeutungsschweren Blick.
»Ähm, ich erkenne eine gewisse Gleichgültigkeit in Ihren Worten. Wenn ich richtig informiert bin, waren Sie einer der wenigen Arbeitskollegen, die nicht zu seiner Beerdigung erschienen. Kann es sein, dass Sie dem Verstorbenen nicht gerade wohlgesonnen waren?«, fragte Gregor so höflich wie möglich.
»Seit wann ist es verboten, einer Beerdigung fernzubleiben? Wenn ich jedes Mal auf den Friedhof renne, nur weil jemand beigesetzt wird, den ich auch nur flüchtig kenne, brauche ich mir bald nichts anderes mehr vorzunehmen.«
Gregor sah ihn mit ausdrucksloser Mine an und sagte nichts.
»Außerdem hatte ich schon etwas anderes vor.«
»Mögen Sie mir verraten, was?«, hakte Gregor höflich nach.
Musiol zögerte kurz und warf einen flüchtigen Blick zu seiner Ex-Freundin hinüber.
»Nein, möchte ich nicht. Etwas sehr… Privates. Geht Sie nichts an.«
Kamp konnte Musiols Panik riechen. Er musste sich gerade ziemlich beschissen fühlen. Zwei Menschen und ein Hund starrten ihn an und erwarteten etwas von ihm.
»Entschuldigen Sie, was genau war noch mal Ihre Frage?«, hakte Musiol mit dünner Stimme nach.
Gregor grinste selbstgefällig und nickte.
»Also gut, ans Eingemachte. Meine Auftraggeberin glaubt nicht an die Unfalltheorie der Polizei. Zumindest erscheint ihr etwas an der Sache faul, und das aus einem ganz bestimmten Grund. Bei der Obduktion von Herrn Kamp stellte man fest, dass er Betäubungsmittel im Körper hatte. Soweit Frau Kamp ihren Bruder kannte, und sie kannte ihn nach ihrer eigenen Aussage besser als jeder andere Mensch, verachtete er Drogen zutiefst und hatte nie etwas damit zu tun. Er rauchte nicht mal und trank so gut wie keinen Alkohol. Es entsprach ganz und gar nicht seiner Persönlichkeit, sich mit Drogen der Realität zu entziehen, dafür stand er mit beiden Beinen zu fest auf dem Boden der Tatsachen. Anscheinend hatte Herr Kamp seiner Schwester irgendwann einmal von einem Arbeitskollegen erzählt, der in dieser Hinsicht das genaue Gegenteil von ihm war. Als man ihr das Obduktionsergebnis mitteilte, hat sie sich genau daran erinnert. Aus diesem Grund sitze ich jetzt an Ihrem Tisch.«
Musiol schob während Gregors Ausführungen ganz langsam den Kopf nach vorn und brachte es fertig, ein noch dümmlicheres Gesicht zu machen als vorhin an der Tür.
»Thore Kamp hat Drogen genommen?«, fragte er
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