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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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etwas bat, und dann keine direkte Antwort erhielt. Wenn der Bote es ihm nicht verraten wollte, hätte er es einfach sagen können. Stattdessen kam er ihm mit diesem Das-Wissen-ist-in-dir-Schwachsinn.
    Aber gut, wenn er es so haben wollte.
    Kamp dachte nach und versuchte selbst zur Tür zu werden. Welchen Grund könnte sie haben, nicht zu verschwinden, während alle anderen es direkt nach dem Durchschreiten einer Seele taten – zumindest bildete er sich ein, dass es so lief. Wäre das nicht der Fall, müsste die Kölner Innenstadt – nein, der ganze verdammte Planet – zugestellt sein mit Milliarden weißer Türen.
    Kamp legte die Ohren an. Es war erschreckend logisch.
    »Ich glaube, ich weiß es wirklich«, sagte er mit dünner Stimme.
    »Ha! Siehst du, ich wusste es«, entgegnete Gregor triumphierend.
    »Hey, du Spinner! Warum quatschst du die ganze Zeit so komisches Zeug mit deinem Köter. Bist am helllichten Tag schon total besoffen, oder was?«, mischte sich eine leicht lallende, fremde Stimme ein.
    Gregor drehte sich ganz langsam zum businternen Gewinner des Wettbewerbs »Wer riecht am strengsten?« um und sah ihm fest in seine stark geröteten Augen.
    Die Reaktion des Mannes, dessen Atem, im Vergleich zu den schlechten Gerüchen, die sein Körper und seine Kleidung ausdünsteten, kaum für möglich gehaltene Steigerungsmöglichkeiten offenbarte, fiel ähnlich aus wie bei dem Paar in dem Restaurant, in dem Gregor gestern mit Kamp zu Mittag gegessen hatte. Der Fremde riss die Augen auf und prallte mit einem entsetzten Aufheulen gegen seine Rückenlehne. In größter Eile versuchte er, seine Sitzbank zu verlassen, verhedderte sich mit seinen Füßen und fiel der Länge nach in den Gang. Während er ohne Unterlass »Oh mein Gott!« brüllte, rappelte er sich auf, lief nach vorn zum Busfahrer und flehte, ihn bitte aussteigen zu lassen.
    Die übrigen Fahrgäste fühlten sich darin bestätigt, dass Alkohol und Drogen die Lösung für rein gar nichts waren.
    Kamp warf dem Boten einen neugierigen Blick zu.
    »Erklär ich dir später mal«, antwortete Gregor auf die unausgesprochene Frage seines Klienten. »Und jetzt raus mit der Sprache. Du weißt es?«
    Kamp nickte. »Die Seele, für die diese Tür erschienen ist, ging nicht hinein. Sie hat sich nicht getraut oder sich geweigert die Klinke zu drücken. Jetzt streift sie ziel- und orientierungslos in der Welt der Lebenden herum. Bis sie vielleicht doch eines Tages zur Tür zurückfindet und den dahinter liegenden Raum betritt.« Er unterbrach sich mit einem humorlosen Lachen. »Jetzt kann ich mir auch denken, warum dieser Bote… Xaver, genau, warum dieser Xaver anfangs nichts gesagt und nur gegrinst hat. Man muss den Raum aus eigenem Willen betreten. Es ist verboten, die Seelen zu beeinflussen. Hab ich recht?«
    Gregor nickte zufrieden. Kamp nahm es gleichmütig zur Kenntnis und schüttelte den Kopf.
    »Was aber total hirnrissig ist! Warum ist es verboten, sie zu beeinflussen? Die Antwort auf diese Frage kenne ich leider nicht.«
    Gregor schmunzelte. »Jede Seele, die ins Jenseits gelangt, muss dort auch hinwollen. Ein gewisses Maß an Akzeptanz für sein Schicksal ist schon erforderlich, um sich die Eintrittskarte zur anderen Seite zu verdienen. Wer noch nicht so weit ist, betritt den Raum eben vorerst nicht. Erst wenn die Seele von ihrer Odyssee als Geist die Nase voll hat, ist sie endlich so weit, sich auf das Jenseits einzulassen. Es ist so ähnlich wie mit einem Alkoholiker. Eine Kur bringt nur etwas, wenn er wirklich aufhören will. Wird er gezwungen, die Kur zu machen, ist sein Rückfall vorprogrammiert, und er schadet anderen und sich selbst.«
    Kamp rümpfte die Nase. »Ein etwas makaberer Vergleich.«
    »Mag sein, aber er trifft den Punkt.«
    »Was ist dann mit mir? Mir war noch nicht mal richtig bewusst, tot zu sein. Die Tür habe ich nur geöffnet, weil ich furchtbar neugierig war. Reingegangen bin ich, weil es auf der Tür stand.«
    Kamp dachte nach und schüttelte den Kopf.
    »Stell einem Deutschen ein Schild hin, und er gehorcht«, murmelte er.
    »Wenn du nicht so weit gewesen wärst, hättest du den Raum nicht betreten. Glaub mir. Du wärst vor der Tür weggelaufen, wie schon so viele andere vor dir. Es kommt alles so, wie es kommen soll.«
    Kamp fand es anmaßend, der Seele eines frisch Verstorbenen die Reife oder Bereitschaft oder was auch immer für das Jenseits abzusprechen. Wenn ein kurzer Hinweis von dem Boten im Fahrstuhl dafür sorgen konnte,

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