Botschaft des Schreckens
nichts zu bemerken. Seit dem Frühstück, als sie mit den anderen Bediensteten meinen blauen Mantel in der Hand des Gärtners angestarrt hatte, hatte ich sie nicht mehr gesehen. Daß sie jetzt nicht geschäftig herumeilte, sah ihr eigentlich gar nicht gleich. Gestern noch hatte sie gesagt: »Morgen werde ich Ihnen Ihr Schicksal weissagen, Señorita. Morgen werden wir von der Gefahr sprechen.« Aber das hatten wir nicht getan.
Carlos, der Teresas Nervosität dämpfen wollte, unterbrach meine Gedanken. »Ah, Teresa«, rief er, »und was gibt es heute für eine Überraschung? Nein – nein, sag es mir nicht, das nimmt mir den ganzen Spaß. Ich werde raten… Hmm, da du eine Terrine bringst und wir schon Schüsseln vor uns stehen haben, wird es ›gazpacho‹ sein.«
»Si, Senor.« Teresa lächelte Don Carlos zu, aber der Blick ihrer braunen Augen war verstört.
»Bei uns, Señorita«, erklärte mir Don Carlos, als die silberne Terrine auf den Tisch kam, »ist das eine Spezialität. Inzwischen ist sie ziemlich verbreitet, glaube ich, und deshalb kennen Sie sie vielleicht. Gazpacho besteht aus Gurken, Zwiebeln und Tomaten mit den entsprechenden Gewürzen. Rosa macht das ganz ausgezeichnet.«
Bevor ich irgend etwas erwidern konnte, sagte Teresa nervös: »Ich habe das gemacht, Senor. Meine Tante ist krank… Es ist nur Migräne… Aber ich habe das Essen gekocht. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus.«
»Warum sollte es uns etwas ausmachen?« rief Don Carlos. »Bist du nicht die dritte in der Reihe der hervorragenden Köche hier auf der Hacienda Montera? Auch Pedro war ja früher lange ein großartiger Küchenchef.« Pedro, der eben den Sherry einschenkte, verzog die dünnen Lippen zu der Andeutung eines Lächelns.
»So… so weit ist es auch wieder nicht her«, wehrte Teresa ab. »Es gibt nur heuvos… zum Dessert…«
»Das ist vollkommen in Ordnung, Kind«, sagte Dona Isabella ruhig. »Du hast deine Sache gut gemacht – besser, als man es unter diesen Umständen hätte erwarten können.«
»Gestern hatten wir einen gelungenen Abend«, bemühte sich Antonio abzulenken. »Soll ich heute abend Gitarre spielen? Vielleicht werde ich sogar für euch singen…»
Miguel grinste. »Nichts gegen die Gitarre. Aber deinen Gesang solltest du uns ersparen!«
Antonio mimte Entrüstung. »Meine Stimme ist konkurrenzlos!« behauptete er. »Abuela gefällt sie jedenfalls.«
Die alte Dame lächelte ihm zu. »Aber natürlich! Für eine Weile werden wir all das Schreckliche vergessen.« Ein Anflug von Trauer ging über ihr Gesicht, als sie hinzufügte: »Ich weiß, daß vielleicht mehr Pietät angebracht wäre für einen… für einen lieben Freund – aber ich habe geweint, bis meine Tränen versiegten. Wenn dies alles einmal vorüber ist, werdet ihr viele Nächte auf dem rancho verbringen, und hier werde ich wieder einsam sein. Es ist so gut, daß wir einmal alle zusammen sind.«
»Wenn meine Brüder und ich nachts außer Haus sein müssen, dann geschieht es für dich… für die Hacienda Montera«, sagte Carlos. »Und wer weiß, vielleicht haben wir bald so viel Geld, daß wir nicht mehr Schafe zu züchten brauchen und die Coyoten und alles andere, was unsere Herden gefährdet, vergessen können.«
»Aber den rancho würdet ihr doch nicht verkaufen?« erkundigte sich Dona Isabella erschreckt.
Carlos starrte sie an. »Diesen rancho verkaufen? Aber nein. Die Leute in der Stadt sollen nicht erleben, daß wir auch nur einen Quadratmeter verkaufen – darauf kannst du dich verlassen!«
»Ich weiß«, nickte Abuela. »Dieses Land hat uns König Philipp gegeben, und es muß im Besitz der Familie bleiben, solange noch ein Montera lebt!«
Die alte Unruhe überkam mich wieder. Auf diese Weise konnten wir unsere Probleme nicht lösen. Die Vorsätze, die ich gefaßt hatte, fielen mir wieder ein. Ich wollte nach Radios und Fernsehapparaten suchen und einige wichtige Fragen stellen. Aber wie sollte ich das anfangen? Wieder hatte ich das Gefühl, vom Rest der Welt abgeschnitten zu sein. Wenn ich mich nicht zur Wehr setzte, würde ich hier in der Falle sitzen, bis die »Gilas« kamen und uns erledigten!
Aber wie konnte ich mich zur Wehr setzen? Ich hatte die Gefühle der Männer verletzt, das wußte ich. Aber weder an ihnen noch an Dona Isabella führte ein Weg vorbei. Dennoch, irgendeine Möglichkeit mußte es geben…
»Dies soll ein fröhlicher Abend werden«, ließ sich Dona Isabella vernehmen. »Aber
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