Botschaft des Schreckens
Mann.
Als ich mich dann der großen sala näherte, blieb ich auf einmal wie erstarrt stehen. Es war, als bewegte ich mich rückwärts in die Vergangenheit, und nicht vorwärts! Denn es war dasselbe, erregte Spanisch wie am Abend zuvor, das da an mein Ohr drang. Und das abrupt abbrach in dem Moment, als ich mich auf der Türschwelle zeigte.
Und wie am Abend zuvor erhob sich Carlos und kam mit ausgestreckten Händen grüßend auf mich zu. Und wieder starrten mich Antonio und Miguel mit derselben verblüfften Neugierde an.
Dona Isabella saß auf genau derselben Couch wie am Vorabend, schaute mich aber weder böse noch abweisend an, wie ich es erwartet hatte, sondern schien in ihren Gedanken verloren zu sein.
»Bis die Sache mit dieser Bande ausgestanden ist, muß es unser Geheimnis bleiben«, hatte Carlos gesagt. Aber die Art, wie er sich jetzt als höflicher Gastgeber gab, ließ mich zweifeln, ob dieses Gespräch je stattgefunden hatte. Als unsere Augen sich begegneten, lag etwas wie Amüsiertheit in seinem Blick, als wollte er sagen: »Aber natürlich hat es stattgefunden. Wie dumm von Ihnen – zu glauben, ich hätte es vergessen!« Und als ich Antonio und Miguel ansah, stellte ich fest, daß sie mich nun ganz unbefangen anschauten. Anscheinend brauchten sie immer erst eine Weile, um sich von neuem klarzuwerden, daß ich auch noch im Hause war. Nur Dona Isabella schien mich nicht zu bemerken.
»Ich fürchte, ich habe verschlafen«, sagte ich.
»Gut!« rief Antonio in seiner extravertierten Art. »Wissen Sie, was das beweist, Señorita? Sie haben Vertrauen zu uns und fühlen sich bei uns sicher.«
»Ja, ich vertraue Ihnen«, lächelte ich. »Allerdings muß ich gestehen, daß ich mich einen Augenblick lang erschreckt fragte, ob während der Siesta irgend jemand auf Wache sei. Aber dann sah ich den Gärtner draußen. Da war mir gleich leichter ums Herz.«
Miguel schien erfreut zu sein. »Machen Sie sich nur keine Sorgen, Señorita. Uns werden sie nicht im Schlaf überraschen. Jedenfalls finde ich es gut, daß auch Sie eine Siesta halten. Schade, daß das nicht mehr Leute tun.«
Als Carlos mich zu einem Stuhl geleitete, sagte ich: »Da gibt es nur ein Problem. Man wird mich im Krankenhaus entlassen. Nach dem Lunch werde ich nicht mehr wach bleiben können!«
»Aber was reden Sie denn da«, lachte Carlos. Und zu seinen Brüdern gewandt, rief er: »Miguel, Antonio, ich frage euch: Wenn man uns belagert, halten wir dann nicht eisern die Stellung?«
»Ja, und ob«, sagte Antonio. »1680, beim großen Indianeraufstand, mußten der Gouverneur und die Spanier, die bei ihm im Gouverneurspalast waren, bald aufgeben, weil die Indianer ihnen das Wasser abgruben. Dadurch wurden sie gezwungen, einen Ausfall zu machen und sich nach El Paso hinunterzukämpfen. Das war zwölf Jahre, bevor General de Vargas sie wieder hinaufführte und die Königliche Stadt zurückeroberte.«
Dona Isabella wurde unruhig, als bringe die Erwähnung de Vargas eine längst vergangene Epoche zurück, die sie viel mehr liebte als ihre eigene.
»Nun, uns das Wasser abzugraben, dürfte nicht ganz so einfach sein«, sagte Miguel ruhig. »Und auch an Lebensmitteln fehlt es uns nicht. Wissen Sie, daß Rosa Vorräte für mindestens einen Monat hat? Also…«
»Ich fürchte, wir müssen etwas mehr tun, als nur ›die Stellung zu halten‹«, unterbrach ich ihn in heftigem Ton. »Wir müssen aufwachen und wieder zu einem normalen Leben zurückfinden. Außerdem schreiben wir jetzt nicht 1680, sondern 1976!«
Betretene Stille trat ein, als ich ihnen diese Vorhaltungen machte. Aber ihre Selbstzufriedenheit hatte mich schon von Anfang an gestört. Ich suchte nach irgend etwas, womit ich die Wirkung meiner Worte abmildern konnte, aber genau in diesem Moment kam der alte Pedro herein und verkündete, das Abendessen sei angerichtet.
Don Carlos berührte Abuelas Hand. »Komm, querida, hör auf zu träumen. Señorita Terrill gefallen unsere Träumereien und unsere abwartende Haltung nicht. Sie wird versuchen, uns umzuerziehen.«
Ich hatte seine Gefühle verletzt, das wußte ich. Auch Antonio und Miguel bemühten sich nicht, Konversation zu machen, als wir uns anschickten, ins Eßzimmer hinüberzugehen. Einen Augenblick lang – und zum ersten Male an diesem Abend – trafen Dona Isabellas Blicke die meinen. Sie schien sagen zu wollen: »Aber verstehen Sie denn nicht, Señorita Terrill? Hier verändert sich nichts. Hier hat sich nie etwas
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