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Botschaft des Schreckens

Botschaft des Schreckens

Titel: Botschaft des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanche Mosler
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können. Rosa war von der ersten Stunde an mein Halt gewesen in dieser fremden Welt – jemand, dem ich vertrauen konnte, ob sie nun eine »Hexe« war oder eine »Schwindlerin«.
    Die Augen wollten mir zufallen. Vielleicht hat Pedro doch recht, dachte ich. Ob man es will oder nicht, auf der Hacienda ist die Siesta ein schöner Brauch.
    Wieder verschlief ich. Ein Blick auf die Uhr belehrte mich, daß ich mich zum Abendessen beeilen mußte. Als ich mein Zimmer verließ, war es nicht Pedro, sondern Carlos, der eben aus Dolores’  sala  trat! Offenbar hatte er nicht spionieren wollen; er wirkte verlassen und verloren und sah beinahe selbst wie ein Geist aus. Er ging auf mich zu. »Ich habe Sie vermißt, Sally«, sagte er leise. »Mehr als Sie ahnen.«
    Verwirrt sah ich ihn an. Der hypnotischen Ausstrahlung dieses gutaussehenden Mannes konnte ich mich nur mit Mühe entziehen. »Sie hatten es aber sehr eilig, wieder bei Dolores zu sein«, sagte ich spitz.
    Carlos schüttelte den Kopf. »Ich wollte nicht zu Dolores; nein, ich wollte zu Ihnen. Oh, wenn es hier nur nicht soviel Finsternis gäbe und soviel Angst. Wenn es nur nicht Father Valas Warnung gewesen wäre, die Sie hierherbrachte, dann… dann würde… wissen Sie, was ich dann tun würde?«
    Ich zögerte. Ich war nicht in Carlos Montera verliebt, da war ich mir sicher. »Nein, Carlos«, sagte ich schließlich. »Was würden Sie tun?«
    »Heute abend würde ich mit meiner Gitarre unter Ihrem Fenster stehen«, sagte Carlos mit leisem Lachen. Es war einer jener überraschenden Stimmungswechsel, an die ich mich inzwischen schon fast gewöhnt hatte. »Ich würde alte spanische Liebeslieder für Sie spielen und hoffen, daß Sie mir einen freundlichen Blick schenken. Und vielleicht würden Sie mir eine von Abuelas gelben Rosen herunterwerfen, um mich wissen zu lassen, daß Sie mir meine Serenade nicht übelnehmen.« Er schwieg einen Augenblick.  »Würden  Sie sie mir übelnehmen, Sally?«
    Ich war sehr erleichtert, daß er mir nach den Ereignissen dieses Morgens nicht mehr böse war. »Übelnehmen?« sagte ich ruhig. »Wenn ein gutaussehender  hidalgo  für mich die Gitarre spielt? Es klingt so romantisch… wer könnte da widerstehen?«
    »Si«,  nickte Carlos. »Ich würde tragen, was die  ricos  in früheren Zeiten trugen: Eine Jacke mit Silberknöpfen. Hosen mit Silberknöpfen an den Seitennähten. Und das wichtigste: Ich hätte eine Schärpe über der Schulter – eine Schärpe in hellen Farben.«
    »Keinen Sombrero?« fragte ich lachend. Wie gut nach so viel Angst und Schrecken ein harmloser Scherz tat! Fast wünschte ich, es könnte immer so bleiben.
    »Einen Sombrero? Aber natürlich!« sagte Carlos jetzt. »Und was für einen Sombrero… Mit Silber- oder Goldlitzen verziert! In den alten Truhen hier gibt es viele solcher Kostüme. Daß Abuela Ihnen noch keine davon gezeigt hat, wundert mich. Zum Beispiel die meines Großvaters; auch er hieß Carlos. Und er wußte, wie man seiner Geliebten ein Ständchen bringt.«
    »Dona Isabella und ich, wir werden mehr und mehr Freundinnen«, sagte ich, »außer, was Sie betrifft. Nein, das Kostüm  ihres  Carlos, in der er  ihr  Serenaden sang, das hat sie mir nicht gezeigt…«
    Carlos’ Miene umwölkte sich. »Was mich betrifft, so hat sie auf diesem Gebiet ganz feste Vorstellungen. Aber das ist nicht mehr von Bedeutung. Daß nichts Häßliches… keine Angst uns mehr trennt, das ist wichtig. Wir dürfen uns nicht mehr streiten,  querida.  In den paar Tagen, wo Sie noch bei uns sind, da sollten wir uns an dem erfreuen, was der Welt am meisten fehlt: An Romantik. Warum nicht heute nacht?« flüsterte er. »Heute nacht ist Vollmond… Um Mitternacht werde ich unter Ihrem Fenster sein.«
    Carlos war sicher ein romantischer Spanier, aber ich fragte mich, ob diese Romantik nicht ebenso falsch war wie Rosas Wahrsagerei. Nach unserem Zusammenstoß an diesem Morgen hatte er sich zweifellos mit einem Besuch in Dolores’  sala  getröstet. Wieder packte mich Neid auf diese schöne, dunkelhaarige Frau, die ihren Mann selbst als Tote noch an sich zu ketten vermochte. Ich fragte mich, wo sie wohl begraben war. Laut sagte ich: »Das wird Ihnen, glaube ich, nicht gelingen. Abuela wird Sie erwischen.«
    Carlos lachte. »Nein. Ihre Räume sind zu weit weg. Außerdem stört es mich nicht.«
    Ich wich ein wenig zurück. »Es spielt für Sie eine Rolle, fürchte ich, Carlos. Und Ihre Großmutter hat sicher recht: Sie lieben

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