Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
Bruder, der sich die Träume von älteren Frauen verbot. Sie schien die Anziehungskraft auf Männer, die halb so alt waren wie sie, nicht verloren zu haben. Blieb nur zu hoffen, dass sich jetzt, nach vier kargen Monaten im elsässischen Wald, auch wieder Männer in ihrem Alter für sie interessierten.
»Fangen wir an«, sagte Bermann.
»Fangen wir an«, bestätigte Löbinger.
»Fenster auf«, verlangten die D-11-Leute.
»Zu laut«, protestierten die D-23-Leute.
Nachdem man sich auf Lüftungspausen geeinigt hatte, referierte Bermann, was Wilhelm Brenner und die KTU bislang an Ergebnissen geliefert und was die Befragungen gestern vor Ort ergeben hatten. Anschließend zog Löbinger ein erstes Resümee: Exjugoslawen, Waffennarren, Neonazis, islamische Fundamentalisten – Richtungen, in die ermittelt werden müsse, obgleich es Hinweise gebe, dass sie es mit Neonazis zu tun hätten. Sie besprachen Wahrscheinlichkeiten, Unwahrscheinlichkeiten, die Frage, inwieweit der Brand des Schuppens für die Ermittlungen in Bezug auf die Waffen eine Rolle spielte. Landeten immer wieder bei der ernüchternden Erkenntnis, dass sie so gut wie nichts in der Hand hatten. Dann wurde die Diskussion heftiger. Bermanns Einwurf, theoretisch bestehe auch die Möglichkeit, dass jemand den Schuppen angezündet habe, um die Waffen zur Explosion zu bringen, entzweite die Gemüter quer durch die Dezernate. Löbinger beruhigte das Gespräch. Zum jetzigen Zeitpunkt, da noch kaum Informationen vorlägen, lasse sich, sagte er freundlich, diese Möglichkeit schlicht nicht einschätzen.
Louise bemühte sich, dem Gespräch zu folgen, doch ihre Gedanken kehrten immer wieder zu Taro zurück. Wenn sie in den vergangenen Monaten an ihn gedacht hatte, dann hatte sie ihn unaufhaltsam durch den Schnee laufen gesehen, weg von Liebau, von ihr. Jetzt saß er in ihrer Vorstellung mit geschlossenen Augen oben am Flaunser. War zurückgekehrt.
Die Stimmen im Hintergrund verstummten plötzlich. Alle Blicke hatten sich auf Alfons Hoffmann gerichtet, einen der Hauptsachbearbeiter von Bermanns Dezernat.
»Lew Gubnik, bitte«, sagte Alfons Hoffmann. »Nicht ›der tote Russki‹.« Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Gesicht war stark gerötet, sein Atem ging schnell. An seinem Hals liefen Schweißtropfen herab, das Hemd klebte nass an seinem mächtigen Bauch.
»Ja, ja.« Bermann fuhr sich ungeduldig mit der Hand übers Gesicht.
»Spitzname Gubby, wenn du’s genau wissen willst.«
»Für so was haben wir jetzt keine Zeit, Alfons.«
»Ich finde, für so was muss man immer Zeit haben.«
»Kanntest du ihn?«, fragte Thomas Ilic, ein Kollege aus Bermanns D 11.
Alfons Hoffmann wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
»Vom Kegeln. Die Freiwilligen von Kirchzarten haben einen Kegelverein, und manchmal haben sie gegen uns gespielt.«
»Schön«, sagte Bermann, »wir werden also ab und zu an Lew Gubby Gubnik denken und ihm Blumen aufs Grab legen und beten, dass es im Himmel eine Kegelbahn gibt, und dazwischen werden wir versuchen herauszufinden, wer vor unserer Haustür Waffen und Munition gehortet hat und vor allem« – er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch – » wozu. «
In diesem Moment ging die Tür auf. Almenbroich betrat den Raum, gefolgt von vier Männern. Zwei von ihnen gehörten dem Dezernat 13 – Staatsschutz – an, die beiden anderen hatte Louise noch nie gesehen. Almenbroich bat um Entschuldigung für die Störung, nannte zwei Namen und sagte, den Blick ins Nirgendwo gerichtet: »LKA.«
»Perfekt.« Bermann stand auf. »Wir wollten sowieso gerade Pause machen.«
Die Pause dauerte eine Viertelstunde. Louise nutzte sie, um die Berichte, Protokolle, Aussagen zu überfliegen. Bermann und Löbinger waren gemeinsam mit Almenbroich verschwunden, kehrten gemeinsam mit ihm zurück. Bermann verbarg seine Anspannung nicht, Löbinger gab sich gelassen.
Bermann klopfte auf den Tisch. »Also, machen wir weiter.«
Die beiden Männer vom D 13 wurden in die Ermittlungsgruppe eingereiht, was alle sinnvoll fanden. Wenn die Waffen nicht gerade von einem Freak oder einem Sammler stammten, musste der Staatsschutz einbezogen werden. Die LKA-Beamten dagegen wollten lediglich als »externe Unterstützung« in die Vorgänge eingeweiht sein und für einen unbürokratischen Informationsfluss zwischen der Kripo und dem Amt sorgen. Louise fand sie überzeugend. Sie waren ruhig, zurückhaltend, sympathisch. Einer von ihnen wiederholte die vagen
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