Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
gar nicht werden willst.«
»Ach nein?«
»Nur eine Vermutung. Du bist doch kein Inspektionsleiter.«
»Du rettest mir den Tag, Luis, besten Dank auch.« Bermann grunzte.
Aber der Tag hatte ohnehin beschissen angefangen. Seit gestern am späten Abend versuchte er, einen Bekannten zu erreichen, der beim BKA arbeitete. Falls das Amt einen Verbindungsbeamten in der Deutschen Botschaft in Islamabad hatte, könnte man den auf PADE und Halid Trumic ansetzen.
Doch der Bekannte ging an keines seiner Scheißtelefone.
»Wir kennen noch jemand beim BKA, Rolf.«
»Bist du nicht um acht mit Illi verabredet? Es ist gleich acht, fahr endlich los.«
»Soll ich sie anrufen?«
Bermann schwieg.
»Na komm, gib mir ihre Nummer.«
Es raschelte. Bermann nannte eine Telefonnummer.
»Ach, Rollo«, sagte Louise und legte auf.
Sie rief auf dem Weg in die Direktion an. »Meine Heldin!«, sagte Manuela Lang, eine der vielen Altlasten Rolf Bermanns, zu denen sich wohl Monat für Monat weitere gesellten.
»Wieso ›meine Heldin‹?«
»Weil du wahrscheinlich die einzige Polizistin in Freiburg bist, die sich nicht von Rollo hat vögeln lassen.«
Louise lachte herzhaft.
Das BKA hatte tatsächlich einen Verbindungsbeamten in der Deutschen Botschaft in Islamabad. Manuela Lang versprach, ihn zu kontaktieren. Louise nickte vorsichtig, diesmal ging es besser, das Lachen hatte geholfen. »Wie spät ist es jetzt bei denen? Schlafen die noch?«
»Die gehen gleich Mittag essen.«
Louise sagte, es sei dringend. Manuela Lang sagte, dann sei es besser, über das Auswärtige Amt zu gehen. Verbindungsbeamte des BKA waren oft nicht allzu schnell, vor allem waren sie chronisch überlastet. Da half es, wenn das AA anrief. Louise verzog das Gesicht. Eine Abkürzung, die sich in ihrem Leben eingenistet hatte. »Ich kenne da niemand.«
»Ich schon.« Manuela Lang gluckste. Sie hatte vor ein paar Monaten ins Auswärtige Amt geheiratet. Eine Distanzehe mit einem Politiker – konnte man sich was Besseres wünschen?
Wenn er Zeit für sie hatte, war er bei ihr. Wenn er keine Zeit für sie hatte, benahm er sich sowieso unerträglich. In Berlin war er Politiker, in Wiesbaden Mensch. »Die anderen kriegen die Oberfläche, ich den Kern, ich glaub, das hab ich ganz gut hinbekommen, was?«
»Wenn er ein netter Mensch ist.«
»Er ist robust, ich mag die Robusten, weißt du doch.«
Thomas Ilic stand rauchend vor der Direktion. Jeans, blaues Hemd, Sakko über der Schulter, raspelkurzes Haar, das blasse Gesicht ausdruckslos, ein unscheinbarer, stiller Mann im schmalen Schatten, er mochte die Sonne nicht. »Entschuldige, das Auto ist nicht angesprungen«, sagte sie, als er einstieg.
»Wir haben ja jetzt viel Zeit«, sagte Thomas Ilic und legte einen Schnellhefter auf die Ablage.
Sie fuhr los, dachte: der Halbkroate, die Halbfranzösin.
Obwohl sie manches gemeinsam hatten, war er ihr ein wenig unheimlich. Die dunklen Augen blickten distanziert und wachsam. Niemand wusste, was sich in seinem Kopf abspielte.
Der Ausbruch gestern in der Soko-Sitzung war für alle vollkommen überraschend gekommen.
Sie fuhren unter der Bahnbrücke hindurch. Kein weißer Audi im Rückspiegel, zumindest keiner mit französischem Kennzeichen. Aber das überraschte sie nicht. Der Audi war mit Sicherheit aus dem Verkehr gezogen worden.
»Luis, die Heizung ist an.«
»Bin erkältet.«
»Und das Gebläse brauchst du auch?«
»Na ja, das Gebläse vielleicht nicht.«
Es war sehr still und sehr kalt ohne Gebläse.
Sie fuhren am Rieselfeld vorbei, am Hohenzollernschen Wald, bei Freiburg-Mitte auf die Autobahn. Thomas Ilic wischte sich von Zeit zu Zeit mit einem Taschentuch das Gesicht trocken, Louise fror noch immer. Die biochemischen Stoffe transportierten Kälte in jede Faser ihres Körpers. Was noch?
Schwäche? Die Sucht?
Die Angst.
»Übrigens.« Thomas Ilic zog ein Blatt Papier aus dem Schnellhefter. »Marion Söllien.« Er hielt ihr die Schwarzweißkopie einer Fotografie hin. Eine kleine lachende Frau mit künstlicher Dauerwelle und einer zweiten kleinen lachenden Frau mit künstlicher Dauerwelle, dazu ein Dackel.
»Welche?«
Thomas Ilic zuckte die Achseln. Da man die beiden nicht auseinander halten konnte, war es ohnehin egal.
»Woher kommt das Foto?«
»Aus ihrer Wohnung.« Bermann hatte Anne Wallmer gestern Abend dorthin geschickt, sie hatte das Foto in der Küche gefunden. Marion und ihre Zwillingsschwester Heidi, hatte der Hausmeister gesagt. Lebt in Kanada.
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