Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
behalte ich es für mich.«
»Er heißt Viktor, verdammt.«
»Wenn wir die Typen mit den Waffen haben.«
»Ja, ja, okay.«
Louise winkte die unglaubliche Blondine herein.
»Geh heim«, wiederholte Bermann mit einem düsteren Lächeln. »Es sei denn, du hast Interesse an einem Dreier.«
»Wer wäre der Mann?« Sie lachte, stand auf, ging an der Blondine vorbei. Das Lachen blieb ihr im Hals stecken. Die Blondine war so unglaublich, dass sie Bermann, Mick und jeden anderen Ehebrecher verstand.
Zumindest für einen kurzen Moment.
Sie fuhr nach Nordwesten, wartete in einer kleinen, unbeleuchteten Seitenstraße in Hochdorf, fuhr gegen elf in die Stadt zurück. Der Audi tauchte nicht auf, genauso wenig ein anderer verdächtiger Wagen. Wo waren sie? Sie wählte Richard Landens Wiehrer Nummer, der Dozentenkollege ging dran.
»Ach, Sie. «Es klang merkwürdig zufrieden. Richard Landen saß in der Küche, trank Rotwein, Männergespräche im fortgeschrittenen Stadium. Buddhologen unter sich, Sie verstehen. Der Kollege lachte. Jetzt hob Landen die Hand nach dem Telefon und wollte sie, und bevor sie abwehren konnte, hatte der Kollege das Telefon in die Küche getragen. »Ich bin in keiner guten Verfassung«, sagte Richard Landen entschuldigend.
Sie seufzte, hielt am Straßenrand. Überall saßen halb betrunkene Männer, dachten über Frauen nach, erotische Blondinen, erotische Brünette.
»Was sagt sie?«, fragte der Dozentenkollege im Hintergrund.
»Nichts«, antwortete Richard Landen.
»Oh. Ist sie Buddhistin?«
» Shunyata, du erinnerst dich«, erklärte Landen.
»Nein. Hast du morgen Abend Zeit?«
» Shunyata, die Leere. Roshi Bukan hat dir …«
»Also vielleicht bis morgen, Ritsch.«
Sie beendete die Verbindung. Sie hatte nicht vor zwei Stunden in den Grappa-Abgrund geblickt, um nun mit einem halb Betrunkenen zu sprechen.
Sie fuhr weiter. Und jetzt? Nach Hause wollte sie nicht, zu Hause warteten die Dämonen, und sie war viel zu erschöpft, um heute noch einmal zu kämpfen. Ihr Blick glitt über die dunkle Stadt, blieb an winzigen erleuchteten Rechtecken hängen, die hoch oben in der Dunkelheit schwebten. Eines davon mochte zu Günters Wohnung gehören, der vielleicht in diesem Moment an seinem schwarzen Tisch saß und ebenfalls an eine Frau dachte, an die Karlsruher Spezialistin, die hoffentlich herausgefunden hatte, was in seinem Körper saß, falls es in seinem Körper saß und nicht in seiner Seele.
Sie wählte seine Nummer, er ging nicht dran.
Am Ende fuhr sie doch nach Hause. Sie öffnete die Fenster, zog die Vorhänge zu, stieg aus der Jeans. Auf dem Anrufbeantworter waren zwei Nachrichten. Katrin Rein, die Psychologin der Akademie, regte sich schüchtern eine Minute lang darüber auf, dass Louise drei Monate verschwunden gewesen sei und sich auch nach ihrer Rückkehr nicht gemeldet habe und nicht zu den AA-Treffen gehe und nicht zu dem Therapeuten, den Oberberg empfohlen habe, und nicht zu …
An dieser Stelle hatte der Anrufbeantworter Mitleid gehabt und sich abgeschaltet.
Die zweite Nachricht stammte von einem Esten, der wollte, dass sie ein Diplom ins Estnische übersetzte.
Als sie im Badezimmer auf der Toilette saß, spürte sie, wie erschöpft sie war. Als sie vor dem Spiegel stand, sah sie es auch.
Dann blickte sie minutenlang in der Dunkelheit durch einen Vorhangspalt auf die Straße hinab, hielt nach dem weißen Audi Ausschau, nach Füßen in einem Hauseingang, nach rot leuchtender Zigarettenglut, einem Vermummten, fand nichts.
Niemand, der sie beobachtete, niemand, der ihr in der Erschöpfung und der Dunkelheit Gesellschaft leistete.
Irgendwann später klingelte das Telefon. Sie saß unterhalb des Fensters auf dem Küchenboden, eine volle Flasche Wasser zwischen den Beinen, eine leere Flasche Wasser neben sich, lauschte auf die Geräusche der nächtlichen Stadt, die elektronische Melodie des Telefons, das sich steif an Vivaldis
»Frühling« versuchte. Es ging gegen Mitternacht, vielleicht also der Mitternachtsmann, aber das war unwahrscheinlich, wahrscheinlicher war, dass sich der Wintermann entschuldigen wollte, weil er getrunken hatte, das tat er sonst nämlich nicht, trinken, zu viel trinken, er wollte nicht, dass sie einen falschen Eindruck bekam, auf der Insel der Seligen trank man, um zu genießen, nicht, um zu vergessen, man trank mit der Nase, nicht mit beiden Händen, man war stark und rein, nicht schwach und schmutzig …
Sie angelte das Telefon von der
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