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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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hindurch.
    »Du stehst im Bild, Trottel«, maulte Five und schob Two zur Seite. Zumindest versuchte er es, denn ein Athlet wie Two verliert natürlich nicht mal eben sein Gleichgewicht. Er fing sich sofort wieder, indem er einen seltsamen Sprung machte. Leider landete er auf den ausgestreckten Beinen des schlafenden Three und fiel doch noch, wobei er sich den Kopf an der spitzen Tischkante stieß.
    Three war sofort hellwach, aber Coach Two lag reglos auf dem Boden. Drei lange Sekunden dachte ich, er sei tot. Dann kam er langsam hoch und presste die Hände auf die Ohren. Seine Augen wurden groß und rund und fielen fast aus ihren Höhlen, während er tobte, als würde er ermordet. Es war total beklemmend. Wie in der berühmten Szene aus »Der Exorzist«, nur dass er seinen Kopf nicht um 180 Grad drehte.
    Der Weißkittel drückte auf den Knopf seiner Alarmschnur. Kurz darauf kamen zwei andere Weißkittel, die Two mitnahmen. Auf die Krankenstation, sagten sie.
    Beim Abendessen saß er wieder normal am Tisch. Na ja, was heißt normal. Er sagte nichts und starrte auf seinen Teller, als wäre der eine fliegende Untertasse.
    »Eine leichte Gehirnerschütterung«, sagten die Weißkittel. »Morgen fühlt er sich bestimmt wieder besser.«
    Nach dem Frühstück hatten Coach Two und ich gemeinsam Küchendienst. Sobald der Aufsicht führende Weißkittel die volle Mülltüte auf den Flur stellte, ergriff ich die Gelegenheit und brachte die Rede auf seine Exorzisten-Vorstellung.
    Two schaute mich an wie eine Kuh, wenn’s donnert.
    »Nachdem du hingefallen warst«, sagte ich.
    »Gefallen?«
    »Ja, sie haben dich auf die Krankenstation gebracht.«
    Grabesstille.
    »Es tut mir leid, aber ich kann mich an nichts mehr erinnern.« Er war ganz offensichtlich verwirrt, denn er versuchte, einen Teller auf eine Tasse zu stapeln.
    Dann kam der Weißkittel wieder und ich konnte nicht weiterfragen.
    Louis meint, es hängt mit der Gehirnerschütterung zusammen, dass Two auf einmal so vergesslich ist. Ich glaube kein Wort davon. Ich glaube nicht einmal, dass er überhaupt eine Gehirnerschütterung hat! Sonst könnte er auf der Hindernisbahn nicht der Schnellste sein.
    Die Tage verlaufen alle gleich. Ich verliere das Zeitgefühl und meistens bin ich so erschöpft von dem vollen Programm, dass ich zu müde bin zum Denken. So soll es vermutlich auch sein. Ich muss schreiben! Schreiben, damit mein Gehirn nicht ganz zu Brei wird! Ich würde alles dafür geben, wieder zu Hause zu sein.
    Heute mussten wir über ein Seil an die Decke klettern. Sobald Four seine Füße vom Boden hob, kam er keinen Zentimeter höher.
    Der Weißkittel lachte höhnisch. »Na los, Fettsack.«
    »Ich will nicht, dass du mich Fettsack nennst!«, sagte Four.
    »Los, Fettsack!«, rief der Weißkittel. »Stell dich nicht so an, du Schwuchtel!«
    So ging es die ganze Zeit weiter.
    Two und Three standen wie gehorsame Soldaten daneben. Five kicherte, als fände er das alles nur witzig. Nervös warf ich Louis einen Blick zu.
    »Hört auf«, sagte er leise.
    »He, Six!«, schnauzte der Weißkittel. »War was?«
    Louis senkte den Kopf.
    Der Weißkittel richtete seine Giftpfeile wieder auf Four. »Klettern, Fettsack. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Niemand traute sich, noch etwas zu sagen. Wir ließen alles geschehen. Weil wir Angst hatten, selbst zur Zielscheibe zu werden? Oder weil wir irgendwo tief drinnen auch eine gewisse Geringschätzung für den schlaffen Four empfanden? Angenommen, es wäre Louis gewesen, der dort so gedemütigt worden wäre – hätte ich für ihn Partei ergriffen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich wollte, dass es aufhört, damit ich mich nicht länger dafür zu schämen brauchte, dass ich nichts tat.
    Four weinte fast vor Erniedrigung und Erschöpfung. »Ich kann wirklich nicht mehr.«
    Aber der Weißkittel bellte weiter wie ein ausgeflippter Offizier, bis Four endlich ein Stückchen hochkletterte, prompt das Gleichgewicht verlor und vom Seil fiel.
    Schade, dass er den Weißkittel nicht zerschmetterte.
    Four hat einen Becher Joghurt beiseitegeschafft.
    »Ich fühlte mich so mies«, sagte er unter Tränen, »ich kann wirklich nichts dafür, aber dann bekomme ich immer einen inneren Drang zu essen.«
    Wenn ich mir Fours Umfang so betrachte, muss er wirklich ein lausiges Leben gehabt haben.
    Leider wurde der Diebstahl entdeckt und zur Strafe mussten alle die Toiletten putzen. (Das ist auch wieder so eine dämliche Regel hier: Wenn jemand etwas

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