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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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Five zog ihm die Baseballkappe von seinem dicken Schädel und zischte damit ab.
    Ich überlegte gerade, dass ich doch großes Glück hatte, dass ich mein Zimmer nicht mit ihm teilen musste, als ich plötzlich eine Hand auf meinem Knie spürte. Louis’ Hand.
    »Ich habe etwas für dich«, flüsterte er.
    Ich schaute nach unten und sah nicht fünf, sondern sechs Finger. Und dieser sechste Finger war ein Stift! Darum hatte er sich die ganze Zeit umgeschaut. Er wollte warten, bis die Luft rein war.
    »Für dein Notizbuch«, sagte er. »Ich habe ihn aus dem Schreibtisch im Mathesaal geklaut.«
    Ich wusste nicht, worüber ich mich mehr freute. Über den Stift oder dass er für mich eine Strafe riskiert hatte.
    »He, danke, Mann!« Ich vergewisserte mich, dass niemand hinsah, und steckte den Stift schnell in meine hintere Hosentasche. Hemd darüber. Fertig. »Schwein gehabt, dass du nicht erwischt wurdest.«
    »Von wegen Schwein«, sagte Louis. »Ich könnte sogar die Boxershorts von Four klauen, ohne dass er es merken würde.«
    Ich kicherte. »Ja, klar.«
    »Glaubst du mir nicht?« Er drehte seine Handfläche, damit ich sehen konnte, was unter seinem Daumen klemmte.
    Ein Stift! Ich fühlte an meiner Hosentasche. Nein, es war kein Trick mit einem doppelten Exemplar. Louis hatte mir wirklich den Stift aus der Hose geklaut, ohne dass ich etwas bemerkt hatte!
    Ich war schwer beeindruckt. »Von wem hast du das gelernt?«
    »Ein paar Jungs auf der Straße. Auf diese Weise habe ich eine ganze Menge Touristen beklaut.« Er machte ein Gesicht, als wäre das die normalste Sache der Welt.
    »Und deine Eltern?«, fragte ich. »Hast du keine Angst, dass sie das rauskriegen?«
    »Habe ich nicht mehr.« Er zwinkerte kurz. »Nach der Beerdigung meiner Mutter hat sich mein Vater um den Verstand gesoffen. Seine Hände rutschten täglich schneller aus. Na ja, da bin ich abgehauen.«
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich von meiner Mutter und Kathy abhauen würde, und ich sah mich schon gar nicht so was Schreckliches tun wie Touristen berauben.
    »Und dann wurdest du geschnappt?«, fragte ich heiser.
    »Nein, das war erst bei diesem Einbruch«, erzählte Louis. »Einer der Jungs kannte ein paar Typen, die ein leer stehendes Lagerhaus besetzt hatten. Dort habe ich einige Nächte geschlafen und dann sagten sie, ich dürfe bleiben, wenn ich bei ihnen mitmachte. Sie haben mich zum Meisterdieb ausgebildet. Ich kann steile Wände hochklettern (ja, das hatte ich gemerkt) und komplizierte Alarmanlagen ausschalten. Wir haben bestimmt hundert Brüche gemacht, aber beim Juwelier ging es schief. Der Kerl, der Schmiere stehen sollte, hat mich im Stich gelassen. Ich wurde auf frischer Tat ertappt und hierhergebracht.«
    Ehrlich gesagt war ich wahnsinnig geschockt, aber ich verkniff mir jeglichen Kommentar. Louis hatte mir bislang immer geholfen und ich konnte hier wirklich einen Freund gebrauchen, also nickte ich verständnisvoll.
    Wir schwiegen kurz. Die Sonne brannte uns ins Genick und Louis schnaufte. Coach Two schien damit keine Probleme zu haben. Sein Hemd war schweißgetränkt, aber er lief einfach wie aufgezogen weiter.
    Ein Topathlet, ein wandelndes Wörterbuch, ein Zahlenkünstler, ein Dieb und ein Hacker. Nicht gerade die Durchschnittsbevölkerung von »Prison Break«. Na ja, bis auf den Dieb.
    Manchmal frage ich mich schon, ob es Zufall ist, dass sie uns so zusammengesperrt haben.
    Louis sagt, ich müsste alles möglichst spannend aufschreiben. Dann können wir später ein Buch herausgeben und werden reich und berühmt. Ich glaube nicht, dass ich die Qualitäten eines Stephen King habe, aber es schafft jedenfalls ein wenig mehr Ruhe in meinem Kopf.
    Heute passierte etwas Seltsames.
    Wir waren im Freizeitraum. Der diensthabende Weißkittel spielte eine Runde Tischtennis mit Coach Two und wurde vollkommen niedergemacht. Ich hing mit den übrigen Boys auf dem Sofa herum und sah fern. Three saß neben mir und war eingedöst – ich fragte mich, ob er auch in fünf verschiedenen Sprachen träumt –, den Kopf schief an der Rückenlehne. Seine Haare sind von hinten rasiert. Hinter dem rechten Ohr befindet sich eine hässliche Warze. Sein Sprachzentrum, meint Louis – meiner Ansicht nach ein ausgezeichneter Grund, sich die Haare wachsen zu lassen.
    Wir schauten einen Videoclip auf dem Bildschirm an, als plötzlich ein Tischtennisball über uns hinwegflog. Two ging an uns vorbei, um ihn aufzuheben, zwischen Sofa und dem niedrigen Tischchen

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