Boy 7
unsere Bank im Stich und schlenderten auf Steve zu. In seinem Blick lag eine Mischung aus Abwehr und Sehnsucht nach Kontakt.
»Ist nicht leicht, was?«, fragte ich, während ich mich neben ihn auf den Boden fallen ließ. »Hier zu sein, meine ich.«
Er zuckte die Schultern. »Mir egal. Bin bald wieder weg.«
»Vergiss es.« Louis ging in die Hocke. »Wir haben auch einmal versucht abzuhauen, aber der Nachtwächter hat uns erwischt.«
»Der Nachtwächter?« Steve war plötzlich ganz Ohr. »Wie seid ihr denn auf den Flur gelangt? Meine Tür war die ganze Nacht verschlossen.«
Louis klappte gerade schon den Mund auf. »Wir ...«
Ja, klar, posaun es ruhig aus, dachte ich. Wenn jemand von dem Pass erfuhr, kamen wir hier nie mehr weg.
»... sahen die Tür offen stehen«, sagte ich schnell. »Kleines Versehen der Weißkittel. Sie hatten sie nicht richtig geschlossen.«
Louis sah mich einen Moment erstaunt an, aber ich glaube, dass er es danach gleich verstand.
»Oh.« Steve legte die Beine übereinander. »So viel Glück hat man nur einmal. Besser, man bastelt eine Bombe.« Er machte eine Faust und öffnete die Hand wieder. »Bumm, ein Loch in der Wand, durch das man entkommen kann.«
»Da muss man aber wissen, wie das geht«, sagte Louis.
»Nichts leichter als das. Wenn man die richtigen Zutaten hat.« Steve sah uns angeberisch an. »Ich habe in der Schule einen Toilettenraum in die Luft gesprengt. Mann, alles war schwarz vor Rauch und der Flur war überschwemmt. Die Lehrer erschraken so sehr, dass sie uns gleich nach Hause schickten. Ein freier Tag, einfach so, mitten in der Woche.«
»Aber sie haben dich erwischt«, sagte ich.
»Nein, das kam erst später.« Steve rieb sich mit den Fingerknöcheln durch sein schwarzes Haar. »Als ich ein paar Leuten davon erzählte, sagte ein Mädchen, ich sei ein Aufschneider. Dass sie es erst glauben würde, wenn ich es noch einmal machte. Ich hätte nie auf sie hören sollen. Noch bevor die Bombe explodierte, wurde ich von einem Polizisten abgeholt und ...«
»... Jones«, sagten Louis und ich gleichzeitig.
»Könnte sein. Er hatte Augenringe wie Müllsäcke, das weiß ich noch.«
»Psst.« Louis nickte einem Mann und einer Frau in Ausgangskleidung zu, die auf uns zukamen.
»Seven, mitkommen!«, riefen sie.
Ein Auftrag! Ich gab Louis, der heute das Aufnahmegerät bei sich hatte, mit den Augen ein Zeichen. Seine schnellen Finger konnten das Gerät bestimmt unbemerkt übersiedeln lassen, zum Beispiel von seiner Hosentasche in meine.
Louis tat nichts. Er wurde nur rot.
Und was stellte sich heraus?
Als wir uns für die Sportstunde umzogen, hatte er den Rekorder sicherheitshalber in seinen Rucksack gesteckt. Nicht verkehrt, aber danach hatte der Dösi vergessen, ihn wieder herauszunehmen. Der Rucksack hing an einem Haken beim Hausaufgabenraum. Und was im Nachhinein noch das Schlimmste ist: Ich habe danebengestanden, als ich meinen eigenen Rucksack holen musste (und einpacken: Schlafanzug, saubere Unterwäsche, Zahnbürste – die Weißkittel sagten, ich müsste irgendwo auswärts übernachten), aber leider wusste ich in dem Moment noch nichts von Louis’ Schnitzer. So ein Idiot!
Ein zweitägiger Ausflug und ich habe nichts, aber auch gar nichts aufnehmen können! Ich könnte schwören, dass ich einen Auftrag durchführen musste. Die Weißkittel fuhren mit mir ans Meer, aber meinem Gefühl nach bin ich höchstens ein paar Stunden am Strand gewesen.
»Der Neue scheint genauso geschickt mit Sprengstoff umgehen zu können wie One«, hörte ich einen Weißkittel zu seinem Kollegen sagen. Warum wurde One nie in die Einrichtung zurückgebracht? Die Weißkittel brauchen doch nur das Signal des Mikrochips zu verfolgen, um zu wissen, wo er ist?
Auf einmal beschleicht mich ein schrecklicher Gedanke. Vielleicht können sie ihn gar nicht zurückbringen? Vielleicht musste er ja während einem seiner Aufträge eine Bombe hochgehen lassen und dabei ist etwas total schiefgegangen?
Meine Kehle war wie Schmirgelpapier. War es wirklich ein Betriebsunfall? Jones schien mir zu allem in der Lage. Ich war plötzlich ganz sicher, dass er nie vorgehabt hatte, mich in das graue Gebäude zurückzubringen. Jetzt, da er den Stick in Händen hatte, konnte er mich ebenso gut erm...
Nicht daran denken! Lesen!
Ich dachte, jetzt würde es wohl eine Weile dauern, aber heute machte ich wieder einen Ausflug. Diesmal konnte mir Louis das Aufnahmegerät zum Glück rechtzeitig in die Tasche
Weitere Kostenlose Bücher