Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
nennen?«
»Wenn du das tust, red ich kein Wort mehr mit dir.«
»Was ist mit Ben?«
»Warum ist das so wichtig?«
»Weil ich wissen muss, welchen Namen ich eintragen soll, wenn ich deine Nummer in meinem Handy speichere.«
»Ich hab dir meine Nummer gar nicht gegeben.«
»Noch nicht«, sagt sie. »Aber das würdest du gern.« Sie hat recht.
Sie seufzt und streckt sich genüsslich auf dem Sack aus. Ich werfe einen Blick auf ihre nackten Beine, wie es ein geiler Sechzehnjähriger tun würde. Sie hat schöne Beine.
»Mein Handy ist neu«, sage ich. »Ich weiß meine Nummer noch nicht auswendig.«
Ich hole mein iPhone aus der Tasche und gebe ihr meine Nummer.
Sie gibt mir ihre.
Sie heißt Erica. Das habe ich bei dieser Gelegenheit rausgefunden.
In den nächsten Stunden schicken wir ein Dutzend alberne SMS hin und her und beschließen, gemeinsam zu Sams Party zu gehen.
Und sie glaubt sogar, es wäre ihre Idee gewesen.
Ich habe eine Wohnung in der Innenstadt.
Eine Wohnung, die ich noch nie gesehen habe.
Sie befindet sich in der 98th Street in Uptown Manhattan. Nach der Schule laufe ich durch die West Side Richtung Norden.
Ich betrachte meine Umgebung jetzt mit anderen Augen. Ich gebe mich nicht mehr der Illusion hin, unsichtbar zu sein.
Der Schatten könnte überall sein.
Ich trödele wie ein Schuljunge, der keine Lust hat, nach Hause zu gehen. Aber das ist nur Tarnung. Ich blicke in Schaufenster, um zu sehen, ob sich darin etwas Verdächtiges spiegelt. Ich mustere die Gesichter der Passanten. Suche nach Anzeichen dafür, dass mich jemand kennt. Ich behalte alle Taxis und Lieferwagen im Blick, denn die unauffälligsten Dinge können einem schnell zum Verhängnis werden.
Aber obwohl ich sämtliche Antennen ausgefahren habe, kann ich nichts entdecken.
Nichts Verdächtiges. Keine Gefahr. Kein Schatten.
Schließlich stehe ich vor einem gepflegten Haus in der 98th Street, zwischen Broadway und West End Avenue.
Ich schiebe den Gedanken an den Schatten beiseite und konzentriere mich auf das Gebäude.
Kein Portier. Niemand, der mein Kommen und Gehen registriert.
Die Straße liegt etwas nördlich der teuren Viertel, wo die meisten meiner Mitschüler wohnen, aber die Gegend ist immer noch relativ wohlhabend. Ich besuche zwar eine Privatschule, aber meine Eltern schwimmen nicht gerade in Geld.
Ich ziehe einen Schlüssel aus der Hosentasche. Er gleitet mühelos ins Schloss der Haustür, obwohl ich ihn noch nie benutzt habe.
Ich gehe die Treppe hoch in den ersten Stock. In der Hand trage ich eine Tüte von Lenny’s Bagels und über der Schulter meinen Rucksack. Sollte mir jemand begegnen, wird er denken, dass ich der neue Mieter bin, der spät von der Schule heimkommt.
Mit einem zweiten Schlüssel schließe ich die Wohnungstür auf. Die Tür öffnet sich mit einem leisen Quietschen.
Ein Geruch steigt mir in die Nase. Fremd, aber nicht unangenehm.
So riecht eine bewohnte Wohnung.
Das Zuhause von jemandem.
Ich gehe hinein und knipse das Licht an.
Die Wohnung ist nicht besonders groß. Drei Zimmer, Küche, Bad. Für New Yorker Verhältnisse durchaus großzügig, für Vorstadtverhältnisse eher klein.
Ich betrete mein Zimmer. Das sogenannte Kinderzimmer. Meine Kleider hängen bereits im Schrank, andere liegen auf dem Boden verteilt, als hätte ich sie achtlos hingeworfen.
Ich setze mich an den Schreibtisch und öffne die oberste Schublade.
Sie enthält Blocks und Hefte, alles, was ein Schüler eben so braucht. Ich greife hinein, taste die Innenseiten ab.
Meine Hand berührt ein Federmäppchen.
Vorsichtig hole ich es heraus.
Ich ziehe den Reißverschluss auf.
Zwei Drehbleistifte. Ein Kuli. Ein Radiergummi in Form eines Bleistifts.
Auf dem Schreibtisch liegt eine Armbanduhr. Und daneben befindet sich eine Ladestation für ein iPhone.
Meine Werkzeuge.
Ich hole mein neues Handy aus der Tasche und tippe auf die Home-Taste. Sofort leuchtet das Display auf. Mit der speziellen Fingergeste aktiviere ich den Sicherheitsmodus.
Dann rufe ich Vater an.
Bei unserem letzten Telefonat war er besorgt. Ich will ihn auf den neusten Stand bringen, damit er beruhigt ist.
»Schön, dass du dich meldest«, sagt er. »Und schon so bald.«
Es klingt eher wie eine Frage.
»Ich hab jemanden kennengelernt«, sage ich.
»Das freut mich für dich.«
»Sie wird dir bestimmt gefallen.«
Ich benutze einen Code, informiere Vater darüber, dass ich mit meiner Kontaktperson in Verbindung stehe.
»An deinem ersten Tag in
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