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Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)

Titel: Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allen Zadoff
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der neuen Schule lernst du schon jemanden kennen«, sagt Vater. »Das ist toll.«
    Ich stelle mir vor, wie er Mutter die Neuigkeiten erzählt und sich die beiden darüber unterhalten, wie gut ich meinen Job erledige. Der Gedanke freut mich.
    »Meine neue Freundin hat mich heute Abend zu einer Party eingeladen«, sage ich.
    Während des Telefonats schlendere ich ins Elternschlafzimmer. Auf dem Nachttisch steht ein Foto mit einem lächelnden Paar. Ich nehme es in die Hand und betrachte die beiden Fremden, die Arm in Arm dastehen.
    Meine Eltern. Angeblich.
    Tatsächlich habe ich diese Leute noch nie gesehen. Das Foto wurde hier hingestellt, falls jemand in die Wohnung kommen sollte. Ich präge mir die Gesichter ein, für den Fall, dass ich sie mal beschreiben muss.
    Ich betrachte die anderen Fotos auf dem Nachttisch. Besonders eins erregt mein Interesse. Es ist eine Strandaufnahme. Meine sogenannten Eltern rekeln sich in Liegestühlen, während eine jüngere Ausgabe von mir neben ihnen im Sand sitzt, offenbar ein manipuliertes Digitalbild.
    »Die Party findet bei ihr zu Hause statt«, erzähle ich Vater.
    »Heute Abend, sagst du?«
    »Ich bin eben fix«, sage ich großspurig und lache.
    »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.« Vater lacht ebenfalls.
    »Ich komm gut zurecht. Das wollte ich dir nur sagen.«
    »Das freut mich. Was ist übrigens mit der Sache, über die wir beim letzten Mal gesprochen haben?«
    »Welche Sache?«
    »Diese Person, die du meinst gesehen zu haben. Ich hab deiner Mutter davon erzählt.«
    Ich erstarre, konzentriere mich ganz auf das Gespräch. Wenn er mit Mutter darüber geredet hat, macht er sich Sorgen.
    Er macht sich sonst nie Sorgen.
    »Was hat Mutter gesagt?«
    »Sie hat gesagt, du sollst vorsichtig sein.«
    Ich bin immer vorsichtig
.
    Was meint sie damit?
    »Du bist in einer neuen Stadt«, sagt Vater. »Du weißt noch nicht, wem du vertrauen kannst. Möglicherweise gibt es Faktoren, die dir noch fremd sind.«
    »Weil die Aufgabe so ungewöhnlich ist?«, frage ich.
    »Ungewöhnlich? Warum benutzt du dieses Wort?«
    Es handelt sich um einen politischen Mord
.
    »Die Größenordnung ist eine andere«, sage ich. »Und dann der enge Zeitrahmen.«
    »Eine gute Gelegenheit, um zu zeigen, was in dir steckt«, erwidert er.
    Ein Test.
    Läuft es darauf hinaus?

Es war an einem sonnigen Herbsttag.
    Die Blätter an den Bäumen hatten sich schon verfärbt, leuchtende Farbtupfer in der Landschaft. Ich sah sie vorbeihuschen, als wir mit dem Wagen die Landstraße entlangfuhren.
    Mutter und Vater saßen vorn, ich auf dem Rücksitz. Eine Familie, die einen Sonntagsausflug macht. So muss es auf andere gewirkt haben.
    Mutter sagte, ich hätte mir eine Pause verdient. Ich hätte hart gearbeitet und es würde höchste Zeit, dass ich mich mal amüsierte.
    In einer kleinen Ortschaft hielten wir an.
    »Bis später«, sagte Mutter zu mir.
    »Später?«
    Vater drückte mir etwas Geld in die Hand, fünf nagelneue, zusammengefaltete Zwanzigdollarscheine.
    »Wofür ist das?«, fragte ich.
    »Geh ins Kino. Kauf dir was zum Mittagessen. Mach dir einen schönen Tag.«
    »Wie komm ich wieder zurück?«
    »Darum kümmern wir uns schon«, sagte Vater.
    Seine Stimme klang seltsam. Irgendwie angespannt. Eigentlichwollte ich ihn fragen, was los ist. Aber dann sah ich die vielen Leute, die durch den Ort schlenderten, in dem alles für Halloween geschmückt war. Und vergaß es. Stattdessen stieg ich aus.
    Es war das erste Mal seit fast zwei Jahren, dass ich ganz auf mich gestellt war.
    Ich lief durch die kleine Stadt. Die Schaufenster waren mit Kürbissen, Halloweenmasken und orange-schwarzen Papiergirlanden dekoriert.
    Ich wartete darauf, ob der Wagen zurückkam. Umsonst.
    »Gibt es hier ein Kino?«, fragte ich schließlich eine Frau mittleren Alters.
    Es lief gerade ein neuer Actionfilm, den ich unbedingt sehen wollte.
    »Sechs Blocks die Straße runter und dann rechts«, sagte sie und deutete in die Richtung, in die ich gehen sollte. »Es gibt aber nur einen Kinosaal.«
    »Einer reicht mir.«
    Ich atmete die kühle Herbstluft ein. Wo war ich?
    Im Nordosten? New Hampshire oder Vermont?
    Oder südlicher, irgendwo im ländlichen Maryland?
    Ich hätte die Frau gern danach gefragt, aber ich wollte keine Aufmerksamkeit erregen. Sich nach einem Kino zu erkundigen, war eine Sache. Zu fragen, in welchem Staat man sich befand, eine ganz andere.
    Ich spazierte durch die Straßen. Ich sog die frische Luft ein. Laub raschelte unter

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