Boys Dont Cry
konnte und in jedem Geschirrschrank, der gefährliche Utensilien barg. Ich hatte bereits unseren gesamten Vorrat an antibakteriellem Reiniger aufgebraucht, um den Boden, die Schrankgriffe und die Arbeitsflächen abzuwischen. Die Küche hatte seit Jahren nicht mehr so geglänzt. Erst dann hatte Emma herumkrabbeln dürfen, während ich ihr Frühstück zubereitete. Trotzdem hatte ich bestimmt ein Dutzend Mal sämtliche Geschwindigkeitsrekorde gebrochen, um sie vor potenziellen Risiken zu bewahren. Es war noch nicht einmal neun und ich fühlte mich bereits, als hätte ich einen Halbmarathon hinter mir. Ich war fix und fertig.
Adam kam herein, aber sobald er mich sah, machte er auf dem Absatz kehrt. Zu spät. Ich war bereits aufgesprungen.
»Adam, was ist mit deinem Mund passiert?«
»Nichts.« Adam zögerte, ehe er ganz hereinkam. »Morgen, Emma.« Als er sie anlächelte, stöhnte er auf und fuhr sich mit der Hand an den Mund. Seine Oberlippe war geschwollen und in seiner Unterlippe klaffte ein schlimmer roter Riss.
»Von ›nichts‹ bekommst du keine aufgeplatzte Lippe.« Ich runzelte die Stirn. »Was ist passiert?«
»Ich bin hingefallen.«
»Und auf dem Gesicht gelandet?«
»Es war ein Unfall«, entgegnete Adam. »Und ich hab’s überlebt, also lass mich in Frieden. Außerdem, was geht dich das denn an?«
»Hä? Klar geht es mich was an. Ich bin schließlich dein Bruder.«
»Wenn es dir gerade in den Kram passt.«
»Was soll das denn jetzt heißen?«
Keine Antwort.
»Was hast du denn für ein Problem?«, fragte ich ihn aufgebracht.
»Du hast mir gestern Abend nicht gerade beigestanden«, sagte Adam mit Groll in der Stimme.
»Doch, habe ich sehr wohl«, entgegnete ich. Ich wusste, was er meinte. »Ich habe Josh verboten, so mit dir zu reden. Das ist mein Job.«
Mein Versuch eines Witzes scheiterte kläglich. Adam sah mich mit steinerner Miene an.
»Moment mal, hat Josh dir das angetan?«, fragte ich.
»Ich habe dir bereits gesagt, dass ich hingefallen bin.«
Ich betrachtete meinen Bruder prüfend, doch er hielt meinem Blick stand und wandte nicht die Augen ab. Wenn Josh für die aufgerissene Lippe verantwortlich wäre, würde mein Bruder es mir sagen.
Oder …?
»Was würdest du denn tun, wenn Josh es tatsächlich gewesen wäre?«, fragte Adam und deutete dabei auf seine Lippe.
»Ich weiß nicht, aber irgendetwas würde ich auf jeden Fall unternehmen.«
»Gegen Josh?«
»Wenn es sein muss gegen Lord Voldemort persönlich«, versicherte ich ihm. »Niemand tut meinem Bruder so etwas an.«
Adam lächelte matt. »Also, mit Lord Voldemort musst du es nicht aufnehmen – und auch nicht mit Josh. Obwohl ich nie verstehen werde, warum du dich mit diesem Loser abgibst. Wie der schon aussieht, er hat eine Visage wie eine Kröte und einen Teint wie Kochschinken.«
Ich lachte schallend. »Ich muss doch sehr bitten. Er ist mein Kumpel.«
»Warum?«
»Hä?«
»Warum bist du mit ihm befreundet? Und dieser Logan ist noch schlimmer. Warum kann Josh sagen und tun, was er will, und du lässt es ihm durchgehen?«
»Was meinst du damit?« Worauf wollte Adam eigentlich hinaus?
»Vergiss es.« Adam seufzte.
Aber das hatte ich nicht vor.
Okay, manchmal ließ Josh Sätze vom Stapel, bei denen ich mich echt winden musste, aber das meinte er eigentlich gar nicht so. Außerdem, als ich ganz neu an die Mayfield Manor Secondary kam, war ich ein Schwächling. Wirklich, ich geb’s zu, wenn auch ungern. Und das haben ein paar Jungs eine Klasse über mir gewittert wie Haie das Blut und mich auf den Kieker genommen. Keine Riesendinger, sie haben mir beispielsweise die Bücher aus der Hand geschlagen, mir die Schultasche von der Schulter gerissen und damit Fußball gespielt, so was in der Art. Und da hat sich Josh auf meine Seite gestellt und mich gegen sie verteidigt.
»Das habt ihr aber jetzt nicht ernsthaft vor«, hatte Josh ihnen gesagt. »Ich meine, echt nicht , oder?«
Er musste die Botschaft irgendwie rübergebracht haben, denn sie zogen den Schwanz ein und verdrückten sich. Seitdem haben sie mich nie wieder belästigt. Und seit diesem Tag steckten Josh und ich immer zusammen. Er mochte weder die Bücher noch die Musik oder Filme, auf die ich stand, aber das machte nichts, weil ich lernte, seine zu mögen.
»Er ist mein Kumpel«, wiederholte ich.
»Dante, du siehst nur, was du sehen willst«, seufzte Adam. »Das war schon immer dein Problem.«
»Ach ja? Dann sag mir doch einfach, was ich deiner Meinung
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