Boys Dont Cry
schlechtes Gewissen, weil ich Emmas Vaterschaft anzweifelte?
Nachdem ich alles wieder eingesammelt und in der untersten Schublade der Kommode verstaut hatte, schnappte ich mir mein Handy, das ich die Nacht über ausgeschaltet und geladen hatte. Gewohnheitsmäßig schaltete ich es ein und wollte es in die Hosentasche schieben, aber als ich die PIN eingegeben hatte, fing das Ding zu vibrieren an. Sieben Anrufe von verschiedenen Freunden und doppelt so viele SMS. Es hatte sich wirklich herumgesprochen. Ich steckte das Handy ein und ging wieder hinunter. Kaum war ich die Treppe runter, läutete es an der Haustür. Ich öffnete – und Collette stand vor mir. Sie hatte ja nicht lange auf sich warten lassen.
»Kann ich reinkommen?«
Ich ließ sie vorbei und schloss hinter uns die Tür. Dann standen wir einander gegenüber, gehemmt und verlegen. Schließlich beugte sie sich vor. Es folgte, mehr um es hinter sich zu bringen als aus einem anderen Grund, ein kurzer Kuss.
»Wie geht’s, Dante? Alles in Ordnung?«, erkundigte sie sich.
»Klar«, meinte ich schulterzuckend, obwohl es offensichtlich war, dass das nicht stimmte.
»Wie geht’s … ähm …?«
»Emma? Gut. Sie ist in der Küche.«
Mir war ziemlich mulmig zumute, als ich sie hineinführte. Gestern hatte mein Ärger über Logan noch alles andere überlagert. Doch jetzt war ich mehr als beschämt, ich wäre am liebsten im Boden versunken. Collette war meine Freundin. Wir hatten uns schon zig Mal geküsst, aber mehr als ein bisschen Fummeln war nie zwischen uns gewesen. Und jetzt hatte ich ein Kind.
»Hi, Adam. Hallo, Mr Bridgeman«, sagte Collette, als wir die Küche betraten.
»Oh, hi, Collette. Entschuldige meinen Aufzug«, sagte Dad und warf mir einen vernichtenden Blick zu.
Adam nickte in Collettes Richtung, ehe er mit seinem Frühstück fortfuhr. Collette blickte zu Emma, sagte jedoch nichts.
»Ich geh mich mal anziehen«, verkündete Dad und wickelte den Morgenmantel fester um sich. Dann rauschte er, mich immer noch böse anfunkelnd, an uns vorbei. Das würde ihm eine Lehre sein!
»Willst du Emma gar nicht begrüßen?«, erkundigte sich Adam.
Komisch, aber ich hatte gerade das Gleiche gedacht.
Collette geriet kurz aus dem Konzept. »Oh, ja. Natürlich. Hi, Emma.«
Sie trat zu der Kleinen und tätschelte ihr unbeholfen die Stirn. Adam zog eine Augenbraue hoch. Missbilligend blickte Emma zu Collette hoch. Ich eilte zu ihr und nahm sie aus dem Hochstuhl, bevor sie anfing, auf die einzige Art, die ihr zur Verfügung stand, gegen Collettes Behandlung zu protestieren.
»Das ist also deine Tochter?«, stellte Collette fest. Ich merkte ihr an, dass sie um die richtigen Worte rang.
»Dir kann man aber auch nichts vormachen«, meinte Adam.
Collette warf ihm einen ungnädigen Blick zu. Emma schlang einen Arm um meinen Hals und musterte Collette von oben bis unten, als sei sie nicht besonders angetan. Ich musste mir auf die Lippe beißen, aber Adam war nicht so dezent.
»Deine Tochter ist ganz schön clever, Dante«, meinte Adam, als er aufstand und zur Geschirrspülmaschine ging. »Das muss sie von ihrer Mutter haben.«
Emma fing an zu glucksen.
Collette legte die Stirn in Falten. »Adam, das ist nicht witzig.«
»Emma ist anderer Meinung«, entgegnete Adam.
Wieder musste ich mir auf die Lippe beißen, dieses Mal noch fester. Emmas Lachen war einfach ansteckend. Ihrer steinernen Miene nach schien Collette allerdings immun dagegen zu sein.
»Sie sieht dir ähnlich, Dante«, meinte Collette.
»So ein Pech hat keiner«, witzelte Adam.
»Dante, könnten wir ein bisschen spazieren gehen oder so?«, fragte Collette gereizt. »Ich würde gern unter vier Augen mit dir sprechen.«
»Adam, wärst du wohl so nett und …?«
»Nein, ich kann nicht auf Emma aufpassen«, schnitt mir Adam das Wort ab.
»Nehmen wir sie doch mit«, schlug Collette vor. »In den Park vielleicht?«
Mit Emma rausgehen? Am helllichten Tag?
»Wir nehmen sie im Buggy mit«, sagte Collette.
O Gott. Ich und einen Kinderwagen schieben … Ich holte tief Luft. Es war ja nicht so, dass ich mich für Emma … schämte. Ganz und gar nicht. Aber … Das würde eine Gafferei geben. Ich sah aus dem Küchenfenster. Es war ein wunderschöner Tag, blauer Himmel, kein einziges Wölkchen in Sicht, ich konnte also nicht einmal das Wetter als Vorwand nehmen, um zu Hause zu bleiben.
»Hast du Lust auf einen Spaziergang?«, fragte ich Emma. Sie lächelte mich an. Das wertete ich als
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