Boys Dont Cry
Scheinwerferlicht. »Er … er …«
Ich schlug direkt neben seinem Kopf mit der flachen Hand auf den Boden. Es tat höllisch weh, aber wenn er das alles für einen Spaß hielt, würde ich ihn auf schmerzhafte Weise eines Besseren belehren.
»Beim nächsten Mal schlage ich nicht daneben«, warnte ich ihn.
»Er ist bei Logan. Er wohnt ein paar Tage bei Logan«, verriet Paul. Er verhaspelte sich fast dabei, so eilig hatte er es. »Ich decke ihn nur, weil Joshs Mum Logan nicht leiden kann.«
»Logan ist an der Uni«, sagte ich finster. »Er hat mir in der Bar Belle gesagt, er würde in einer Woche an die Uni gehen, also hör auf, mich anzulügen.«
»Ich lüge nicht. Ich lüge nicht«, antwortete Paul rasch, die Augen vor Panik aufgerissen, als ich die Faust hob. »Seine Noten haben nicht gereicht. Er ist immer noch zu Hause. Ich schwöre es. Nicht ich, Logan hat gelogen. Das musst du mir glauben.«
»Mmmh …« Trotz allem, was vorgefallen war, glaubte ich ihm. Ich stand auf. Mit zusammengekniffenen Augen dachte ich darüber nach, wie ich jetzt vorgehen sollte.
Paul setzte sich mühsam auf. »Es … tut mir leid, das mit deinem Bruder …«
Unsanft drückte ich ihn wieder zu Boden. »Wag es ja nicht, meinen Bruder zu erwähnen«, fauchte ich ihn an. »Wag es ja nicht.«
»Es t-tut mir leid …« Paul hustete.
Ich richtete mich auf und fragte eisig: »Rufst du Josh jetzt an, um ihn zu warnen, dass ich hinter ihm her bin?«
Paul schüttelte den Kopf. »Aber er weiß es sowieso schon. Deshalb hält er sich auch nie irgendwo lange auf, weder bei sich zu Hause noch woanders.«
Aufmerksam musterte ich Paul. Ich dachte daran, wie er auf mir gekniet hatte, während Josh meinem Bruder die Seele aus dem Leib geprügelt hatte. Am liebsten hätte ich ihm jetzt sehr wehgetan – aber Josh zu fassen zu kriegen, war mir noch wichtiger. Paul würde warten müssen, bis er dran war. Auf meiner Prioritätenliste rangierte er weiter unten. Es interessierte mich bloß, warum sie eigentlich alle noch auf freiem Fuß waren nach dem, was sie Adam angetan hatten. Warum hatte die Polizei sie nicht festgenommen?
»War die Polizei schon bei dir?«, fragte ich.
Paul senkte den Blick. »Ja. Ich musste mit meinen Eltern aufs Revier. Sie haben mich vorläufig freigelassen, mich aber darauf hingewiesen, dass ich wahrscheinlich wegen Beteiligung an einer Schlägerei angeklagt werde. Bei Logan lief es genauso.«
Beteiligung an einer Schlägerei? Das war alles?
»Und Josh?«
»Den hat die Polizei noch nicht gefasst«, sagte Paul. »Aber mein Dad meint, bei ihm lautet die Anklage garantiert schwere Körperverletzung.»
Schwere Körperverletzung? Das reichte nicht. Das reichte nicht annähernd.
»Er hätte sich stellen sollen«, teilte ich Paul mit. »Das wäre besser für ihn gewesen, als mir in die Hände zu fallen.« Ich straffte die Schultern. »Falls du Josh doch anrufst, um ihn zu warnen, bestell ihm von mir, er braucht nicht wegzurennen, denn ich werde ihm, wenn’s sein muss, bis in die Hölle folgen.« Dann drehte ich mich um und ging weg.
»Das war nicht Josh …«, rief mir Paul nach.
Stirnrunzelnd drehte ich mich um.
»Ich meine, Josh … Josh hat deinen Bruder verletzt, aber das war nicht … das war nicht er selbst.«
Wovon redete er?
»Ich meine … es war nicht Joshs Schuld«, sagte Paul.
Ich marschierte zurück zu ihm. Soeben war er auf meiner Prioritätenliste ein Stück höher gerückt. Paul zuckte zurück, er schrumpfte förmlich in sich zusammen, als er meinen Mörderblick sah.
»Wessen Schuld war es dann?«, fragte ich mit sanfter Stimme. »Die meines Bruders?«
»Nein. Nein«, beeilte sich Paul zu sagen. »Ich habe damit nur gemeint, wir hatten alle getrunken und Logan war derjenige, der … Logan …«
»Spuck’s aus«, befahl ich ungeduldig.
»Als wir an dem Abend die Bar Belle verlassen haben, hat Logan Josh die ganze Zeit getriezt. Er h-hat Josh ständig gehänselt, dass er … dass er genauso einer ist wie Adam. Und Josh wurde immer wütender. Ich wollte Logan dazu bringen, ihn in Ruhe zu lassen, aber er hat einfach nicht aufgehört, und dann hat Josh gesagt, er würde ihm schon zeigen, wie sehr er Schwuchteln verabscheut. Aber Logan hat ihn weiter provoziert. Und so sind Logan und Josh auf die Idee gekommen, euch auf dem Heimweg aufzulauern, und dann wollte Josh ein für alle Male beweisen, dass er nicht einer von … dass er kein …«
»Verstehe«, entgegnete ich
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