Boys Dont Cry
zusammen, hustend und keuchend rang er nach Atem.
»Du krankes Schwein!«, schrie ich. »Ich werde dich töten .«
Josh versuchte mich mit der ausgestreckten Hand abzuwehren, jedoch vergebens. Ich ballte die Fäuste und drosch rasend vor Wut gezielt auf sein Gesicht. Er legte schützend die Arme vor den Kopf und rollte sich zu einer Kugel zusammen. Doch das war mir egal, vollkommen egal.
»Siehst du«, stieß er mit blutenden Lippen hervor. »Du hasst uns Schwule genauso wie ich.«
Seine Worte durchzuckten mich wie ein Blitz und ich hielt mitten im Schwung inne. Josh fing an zu weinen. Heftige, hilflose, beschämte Schluchzer erschütterten seinen Körper. Ich starrte auf ihn hinab, seine Worte hallten in meinem Kopf wider.
Uns Schwule …?
»Du … du bist schwul ?«
Josh nickte unter Schluchzern.
»Ich … ich bin kein Schwulenhasser … ich bin nicht wie du. Das hier ist wegen dem, was du meinem Bruder angetan hast«, brachte ich stotternd hervor.
Aber wen versuchte ich eigentlich zu überzeugen, Josh oder mich selbst? Hier stand ich groß über ihm, die Fäuste geballt, seine Vernichtung im Sinn. Ich hatte mir vorgenommen, ihn bezahlen zu lassen.
Bezahlen?
Das glaubst du doch selbst nicht, Dante.
Ich hatte mir vorgenommen, ihn leiden zu lassen, ihm mit doppelter Münze heimzuzahlen, was er Adam angetan hatte. Alles war genauestens geplant. Ich hatte es kühl kalkuliert und seit der Nacht, in der es passiert war, an nichts anderes gedacht. Dad und Adam konnten gemeinsam auf Emma aufpassen, wenn ich ins Gefängnis kam, und Emma hätte dann auch viel früher ihr eigenes Zimmer. Die Behörden würden sie bestimmt nicht aus dem vertrauten Familienkreis reißen, zumindest hoffte ich das. Dad würde nicht zulassen, dass sie ihm meine Tochter wegnahmen. Nur wegen Emma tat es mir leid, aber wenn Josh bekam, was er verdiente, könnte mein Bruder vielleicht nach vorne blicken und sein Leben weiterleben.
Auge um Auge.
Aber dann hatte Josh mich geküsst …
Und da waren all meine restlichen Zweifel, ob ich wirklich fähig war, ihm Schmerz zuzufügen, verflogen, und ich wollte ihn nur noch – nein, nicht töten, sondern zermalmen. Ich hatte mein Gefühl ihm gegenüber für Hass gehalten. Aber was ich empfand, als er mich geküsst hatte, ging noch weit darüber hinaus.
Und was machte das aus mir?
Ich lehnte mich gegen die Wand, neigte den Kopf nach hinten und versuchte, klarer zu sehen.
Josh zu meinen Füßen hörte allmählich zu schluchzen auf. Er schöpfte tief Atem, um Fassung ringend. Ich sah zu, wie er sich langsam aufrappelte und das Blut aus seinem Mund spuckte. Wir ließen einander nicht aus den Augen. Josh zitterte wie Espenlaub. Ich war vollkommen ruhig.
»Kommt … kommt Adam wieder in Ordnung?«
Ich starrte ihn wütend an. Das konnte doch wohl nicht sein Ernst sein. Mein Bruder wäre um ein Haar abgekratzt, und Josh besaß den Nerv, sich nach seinem Befinden zu erkundigen?
»Willst du mich verarschen?«
Josh schüttelte den Kopf. »Nein, ich … nein …« Die Andeutung eines Lächelns, und ich wäre erneut auf ihn losgegangen, aber Joshs Miene blieb ernst. »Könntest du Adam sagen … dass es mir leidtut?«, bat Josh.
Mit geballten Fäusten drehte ich mich wortlos um und stolperte davon.
Erst weit nach Mitternacht kam ich schließlich nach Hause. Ich war stundenlang herumgelaufen und hatte nachgedacht. Es waren keine angenehmen Gedanken gewesen, dafür aber ehrliche. Zunächst hatte ich ernsthaft erwogen, mir Logan vorzuknöpfen. Nach einer Weile, als ich mich etwas beruhigt hatte, erkannte ich, wie sehr er mit uns allen gespielt hatte, auch mit Josh – was nicht hieß, dass ich für diesen Schweinehund auch nur einen Funken Mitleid empfunden hätte. Aber Logan war derjenige, der uns alle wie aufziehbare Blechspielzeugfiguren aufeinander gehetzt hatte. Manche Leute, zum Beispiel Collette und Adam, hatten hinter Logans Maske geblickt. Ich nicht. In einem anderen Leben hatte ich davon geträumt, der Wahrheit auf den Grund zu gehen und darüber zu schreiben. Was für ein Witz, wo ich nicht einmal zwischen wahr und falsch unterscheiden konnte, wenn ich es direkt vor der Nase hatte.
Was sollte ich nun wegen Logan unternehmen?
Letzten Endes beschloss ich, gar nichts zu tun. Logan musste bestraft werden – aber nicht von mir. Für mich war jetzt ehrlich gesagt das Wichtigste, mich um meine Tochter und meinen Bruder zu kümmern. Sie brauchten mich dringender als ich meine
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