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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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Oder in einem Sack.“
    Freier seufzte. „Es geht nicht, Mischka. Selbst wenn ich wollte: Es geht nicht. Das ist mein letztes Wort. Du musst dich damit abfinden. Wir können nicht immer, wie wir wollen.“
    Mi schka hielt den Kopf gesenkt. Nach einer Weile fing er still an zu weinen.
    „Hast du nicht Familie oben in A k kerman?“, f ragte Freier. „Da war doch deine Mutter, oder ist die nicht mehr?“
    Mischka schüttelte den Kopf.
    „Na, es werden genug Häuser leerstehen hier.“
    „Die werden brennen.“
    „Komm... Hör auf.“
    „Leere Häuser nicht demolieren und anzünden... Unmöglich. Es liegt nicht in der Natur der Russen. Glaubt mir. Ich weiß, was ich sage.“
    Mischka stand auf und öffnete mit hängenden Schultern die Holztür des Kontors.
    „Warte “, rief Freier ihm hinterher. Mischk a blieb stehen, wandte sich um. Freier winkte ihn zurück ins Kontor.
    Er ging zu einer Holzkiste, die vor dem Kontorfenster stand, und ließ die Metallscharniere aufschnappen. Er öffnete den Deckel und zog einen braunen Sack hervor.
    „Hier“, sagte er. „Nimm das.“
    „Was ist das?“, fragte Mischka. Er zog die Nase hoch.
    Freier seufzte tief. „Zobel“, sagte er leise. „Acht oder neun Häute müssten e s sein, ich hab e sie nicht mehr gezählt, seit ich sie gekauft hab e . Du w eißt, was du damit machen kannst. Mach di e in Romanowka zu Geld oder bei Srul Turkenitsch meinetwegen, wenn er das nächste Mal durchkommt, das ist ein ehrlicher Mann. Und dann sieh zu, dass du dich nach A kkerman durchschlägst. Hier wird e s vielleic ht nicht mehr gehen… – wenn stimmt, was du sagst, auch wenn ich es nicht glauben mag. Von irgend et was musst du ja leben.“
    Freier drückte Mischka den Sack in die Hände. Er wollte noch etwas sagen, ihm etwas zurufen, als er ging. Dass ein Mann keine Tränentraufe sein sollte. Dass sein Knecht keine Angst haben mü sste, dass alles gut ausgehen würde für ihn. Dass in ein paar Wochen alles geregelt wäre und er, Mischka noch jung wäre und…
    Freier versagte die Stimme. Er hatte das G efühl, also hätte ihn eine große Hand am Hals gepackt, die ihm die Kehle zudrückte.
     
    „Kasachstan!“
    Es war das letzte Gespräch, das Daniel Freier mit Elwira Dressner führte .
    „Nach Kasachstan bringen sie alle“, schimpfte sie, als sie auf dem Breite n Weg standen. Elwira trug einen Korb mit Lebensmitteln vom Chaim unterm Arm, den sie sich gegen die Hüfte stemmte. „Nach Asien“, sagte sie. „Wer nicht von allein e geht, wird weggebracht. So einfach ist das, Daniel. Die Russen und die Ukrainer, die fackeln nicht lange. Die Rumänen auch nicht mehr. Die Zeiten sind vorbei, dass die Garden sich zurückgehalten haben – die mit ihrer Erzengel-Liga. Jetzt reden alle von Kasachstan. Und von Madagaskar. In Afrika. Wenn es nicht so ernst wäre, müsste man laut lachen. Was für ein Schlamassel. “
    Daniel war sich nicht sicher, wo genau Kasachstan und Madagaskar lagen, sagte aber nichts, weil er sich Elwira gegenüber keine Blöße geben wollte. Irgendwo in der Wüste Gobi müsste Kasachstan sein, dachte er. Natürlich würde dort keiner hinwollen, in die bittere Salzwüste, ob Jude oder nicht. Konnte man niemandem verdenken.
    Er kratzte sich am Hals. „Was sagt dein Mann dazu , Elwira?“
    Sie zuckte mit den Schultern. „Kennst ihn ja.“
    Freier kannte ihn, das stimmte, seine Ideen , ein Dutzend am Tag. An den ver gegangenen Tagen hatte Boias Dressner Andeutungen gemacht, was man könnte, was man müs ste, und vom Süden geredet: Bulgarien, Thessalien , Smyrna, und dann hatte er auf einmal vom Bosporus geschwärmt, zuletzt auch von der Levante – Beirut und Tripoli. Aber nicht von Kasachstan.
    „Die Juden verschwi nden überall “ , sagte Elwira, „in Rumänien und anderswo. Der Messias der Deutschen ist gekommen, euer Retter. Aber unserer noch nicht, mein lieber Freund. Die Züge, die jetzt am Bahnhof Bessarabesk a ha lten, sind voll von ihnen – von unseren Leuten. Vor allem die, die aus Kischinjew und Odessa kommen und nach Galatz fa hren und weiter nach Plowdiw, Sofia und Saloniki. Wer gehen kann, der geht.“
    „Gesehen habe ich es auch, Elwira . Aber woher willst du wissen, d ass die ganzen Leute Juden sind? Sieht man denen ja nicht an. Nicht allen jedenfalls. “
    „Sind a lle von unserer Mischpoke“, sagte sie . „Schau denen mal in die Augen. Wie sie gucken. Angst haben sie. Und alle haben ihre Kinder dabei. Einen oder zwei Koffer nur, aber die

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