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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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sich noch was zuschulden kommen lässt, kommt zu mir und sagt es. Die sollen nicht meinen, dass sie mit allen Deutschen so ums pringen können wie mit Gustav, a uch wenn der irre im Kopf war und zu dumm fürs Leben. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man sagen, dass der moldowanisches Blut in sich hatte. Irgendwann musste das ja schiefgehen mit dem. “
     
    Lobgott war ein Nervenbündel. An ihm wäre, sagte er, ein Exempel statuiert worden. Warum ausgerechnet an ihm, dem fried lichsten Mann in ganz Leipzig , dem Künstler? (Es wäre aber, sagten die Bauern hinter vorgehaltener Hand, nicht einmal sein eigenes Haus gewesen, das sie zerschossen hatten, sondern es gehörte dem Dorf, allen Leipzigern gemeinsam, und er sollte sich nicht so genieren, und selbst wenn es schade wäre um die Bienchen hinten – von seinen fürchterlichen Schlangen und Krokodilen in den Weckgläsern wollte man gar nicht anfangen –, so benähme er sich doch wie ein Kind bei der Popesch im Schulzimmer, wie der Schilling-Sohn, der nun auch nicht mehr war, es hatte ja irgendwann so kommen müssen; war die Nudel erst einmal weich gekocht, wurde sie nicht mehr hart, und Lobgott sollte nur aufpassen, dass ihm im Oberstübc hen nichts durcheinander geriet; bei den Klügsten ginge es immer am s chnellsten.)
    Lobgott erzählte immer wieder , wie es ihm ergangen war. Als die Hunde in der Nacht bellten und die Kolonne aus Panzern, Lastwagen und Kavallerie am Ring eintraf und einen Kreis bildete wie zur Verteidigung, war er durch die Hintergärten auf die andere Seite des Dorfplatzes gelaufen, zum Krämer-Chaim und dessen Frau Wilma. Chaim war auf und saß in der Stube. Sein Rachen rasselte, d ie Atemnot war wiedergekommen, vor Aufregung. Wilma , Lockenwickler im Haar, hatte ihrem Mann ein nasses Handtuch über Mund und Nase gebunden, das würde manchmal helfen, sagte sie.
    Als die Sonne aufging und Lobgott etwas erkennen konnte, stellte er sich hinter die Gardinen der Ladenfenster. Einer der Panzer, ein BT-5, richtete das Geschütz aus und schoss aus zwanzig Schritt Entfernung in die Schule und ins Küsterhaus.
    Lobgott stürzte auf den Ring, mit beiden Armen winkend, aber die Russen beachteten ihn nicht . Die halbe Vorderwand des Küsterhauses, hinter der sein Musikz immer lag, war nach innen gestürzt . Seine Noten, Papiere, Bücher, Schränke brannten. Das Dach der Schule stürzte nach drei Schüssen zur Hälfte ein. Er sah den alten Klassenglobus, die Bilder an der Wand, die dem Fenster zum Ring gegenüber lag, die Wandertauben, Dodos, Elefantenvögel. Dann war auch diese Wand verschwunden, und das rote Gebäude fiel in einer Funkenwolke in sich zusammen. Es brannte wie Zunder; sicher lag es an den Gläsern mit Alkohol, in denen er die Tiere eingelegt hatte, dachte er. Die Bienen im Hinterhof des Küsterhauses verließen ihre Körbe und stachen alles, was sich bewegte. Z wei gefleckte Schimmel galoppiert en ungesattelt über den Ring . Lobgott verstand nicht viel von Pferden, aber er meinte , sie schon einmal gesehen zu haben, vor irgendeinem Wagen. Er musste Bescheid geben, sie konnten zu S chaden kommen oder mit den Hufen ein Kind treten . Dann hörte er auf zu schreien und stürzte vor dem Schulhaus auf die Knie, als ihn ein Gewehrkolben am Hinterkopf traf.
    Als er wieder zu sich kam, machte er sich auf die Suche nach Hilli Turm, die in ihrer Kammer neben der Küche geschlafen hatte. Er spürte ein Pulsieren an seinem Hals und am rechten Schlüsselbein; es musste der Schlag gewesen sein, ein Bluterguss. Lobgott tastete mit den Fingern seine Schulter ab. Sie war geschwollen und schmerzte, aber es schien kein Knochen gebrochen zu sein.
    Er hielt sich sein Nachthemd vor den Mund und kämpfte sich vom Garten aus in die Küche im hi nteren Teil des Hauses vor, beißenden Rauch und Bienen mit der Hand abwehrend. Das Laken des schmalen Bettes, in dem Hilli in der Kammer schlief, war verwühlt, das Bett jedoch leer. Er bemerkte seine Brille in einer Hosentasche und setzte sie auf.
    Er fand Hilli im Gemüsebeet, ein großes Stück von ihr, neben dem Grammofontrichter. Das schwere Gerät hatte eines der rückwärtigen Fenster gesprengt, den Holzrahmen herausgedrückt und w ar durch den Nuschnik geflogen und durch Hilli Turm. Hilli hatte bis zuletzt nicht gewusst, was vor sich ging. Ein Erdbeben, hatte sie gedacht, als sie die Panzerketten in ihren Füßen spürte. Sie hatte sich im Nuschnik in Sicherheit gebracht, weil sie Angst hatte, von einer

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