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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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ganze Bagage Kinder. Genug ist genug, sagen die sich, wenn sie klug sind und Geld haben und weg können. N ach Konstantinopel fahren viele. “
    „So?“
    „Nu n hör zu , Daniel: Es ist nicht das erste Mal, dass es drunter und drüber geht mit der Welt. Du w eißt doch, wie oft Chaim von 1903 gesprochen hat. Hier bei uns in K ischinjew haben sie sie durch die Gassen getrieben und am Morgen lagen Hunderte tot in den Straßen, obwohl e s dort mehr Juden hat als irgendwen sonst. Hat ihnen nicht geholfen, dass sie so viele waren. Die Fiedlers haben es selbst erlebt. “
    „Das ist eine Ewigkeit her. Die Zeiten haben sich geändert.“
    „Bei den Russen und Ukrainern ist es kein bisschen erträglicher, und die Eisernen Garden hier sind nicht besser als Hitler. Du kennst die Gesetze so gut wie ich. Wie soll man leben, wenn man kein Land hat? Nicht s kaufen darf? Boias und mir geht e s gut, wir haben die Araber. Aber die anderen? Das kann nicht richtig sein . Erst nehmen sie uns das Essen, und dann ist es nicht mehr weit bis zum Morden und Brandschatzen.“
    „Was du schwafelst… So schnell mor det und brandschatzt e s sich nicht. Ihr könn t doch nicht einfach gehen“, sagte Freier. „Das ist doch Eure H eimat hier. Euer Haus. Hier hat e s immer Juden gegeben, Tausende – sogar Hunderttausende. Unter den Türken, den Russen, unter den Rumänen…“
    „Ha! Sicher, Daniel , sicher“, sagte Elwira . „Unsere Heimat . Genau wie eure Heimat. Du siehst , wie weit man kommt mit seiner Heimat. Was meinst du , wie lange ihr noch hier bleiben dürft? Zwei Monate? Drei Monate? Höchstens. Dann ist Schluss mit Heimat.“
    „ Da musst du Giese fragen .“
    „Siehst du. Du streitest es nicht einmal ab. Ihr verschwindet alle – ihr werdet verschwunden, das prophezei e ich dir, und lange ist e s nicht mehr hin. Zurück. Dahin, wo ihr hergekommen seid. Das sagen alle.“ Elwira pulte mit den Fingern an ihrem Korb. „Es geht nun nicht mehr. Man muss sehen, wo man bleibt.“
    „Aber in den Zeitungen steht nichts davon.“
    „Was glaubst denn du, was sie da schreiben dürfen!?“
    „Na ja, was so passiert…“
    „Du bist mir einer… Dass sie hinterm Nister wieder ein paar tausend Juden zusammengepfercht und massakriert haben? Ich bitt e dich?“
    „Wer sagt sowas?“
    „Ich habe e s gehört. Von den Frauen in den anderen Dörfern. Srul Turkenitsch hat es beim letzten Mal auch gesagt. Der kommt rum. Der hört alles. In eu ren deutschen Zeitungen steht e s nicht drin, und in den rumänischen auch nicht. Das kontrollieren alles die Königstreuen. Die wollen den Gardisten nicht in die Hände spielen.“
    „Und du glaubst, was Turkenitsch sagt?“
    „Alles nicht. Aber wir sind nicht dumm. Man macht sich sein e Gedanken. Und wir haben Lea – was soll aus dem Kind werden, wenn wir hier bleiben? Sollen wir warten, bis sie kommen und erst die Pferde holen und dann uns?“
    „Mensch, Elwira . Euch tut doch hier keiner was, solange Giese da ist – und wir anderen …“
    „So? Und warum tragen nun alle Waffen bei sich?“
    In dem Punkt hatte sie Recht, dachte Freier. Der König hatte sich immer gegen die Gardisten gewehrt, aber der Hass der Legion auf die Regierung war überall zu spüren – in Bukarest mordeten sie, hieß es, auf offener Straße. Jeden Tag gab es Tote. Trautmann, Giese, Vater Pleskow : Einer nach dem anderen war dazu übergegangen, eine Waffe bei sich zu tragen. Versteckt in Jacke oder Hosenbund natürlich, damit die Russen es nicht merkten. Aber jeder wusste, dass es so war. Die Zeiten änderten sich.
    „Die haben Angst“, sagte Freier.
    „So ist es. Und weißt du was? Alle haben Angst. Die Kolonisten, die Rumänen, die Bulgaren, die Juden. Selbst die Russen hier haben Angst, die jungen Burschen, die das erste Mal von zuhause weg sind und gleich die g anze Welt erobern sollen. Mein Boias hat auch Angst. Lea weniger – die ist so gleichmütig, dass es mir manchmal unheimlich wird, nur ist sie noch jung und hat noc h kein Leid gesehen. Aber Boias … Du weißt, was mit meiner Familie passiert ist.“
    „Ja. Weiß ich.“
    Am dritten Morgen nach diesem Gespräch waren die Dressners fort. Ihre fünf besten Pferde standen nicht mehr im Stall; wahrscheinlich hatten sie zwei mit ihren Taschen bepackt, vermute te Freier, und ritten auf den anderen drei. Die Gänse zogen wie immer du rch den Hof der Dressners. D ie b eiden Ziegen standen hintereinander auf der Mauer hinter der Schmiede, als hielten s ie

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