Braeutigame
Fingern, obwohl er nicht sen ste, sondern harkte und bündelte . Es war windstill. Der saure Geruch verschwitzter Menschen und Kleider hing in der Luft. Der Staub der trockenen Krume mischte sich mit ihrem Schweiß und färbte ihre Gesichter und Arme grau. Zwischen den Stoppeln schlängelten sich Kreuzottern und Eidechsen – gewöhnliche braune und schillernd grüne Smaragdechsen. Es dauerte nicht lange, bis R aben, Krähen und Störche herbe iflogen und dort, wo der Bullenkessel abgesenst war, jagten. Erdhasen streckten die Köpfe aus ihren Löchern und stellten sich neugierig auf, sobald sie sich sicher genug fühlten. Es waren Hunderte. Niemand kümmerte sich um sie.
Am Vormittag des vierten Tages krochen zwei Panzer die Serpentine hinauf. Sie fuhren über die Stoppelfelder, von einem Ende des Bullenkessels zum anderen und wieder zurück, bis in die späten Nach mittagsstunden. Zu beiden Seiten der Piste stellten die Russen Windhosen auf – Getreidesäcke an Stangen, die schlaff und schwer herunter hingen , weil vergessen worden war, Löcher in sie zu schneiden .
Dann vibrierte der Himmel.
Die meisten Leipziger saßen am Rand der Felder und ruhten sich aus. Alma flocht Strohhalme ineinander. Nur am östlichen Ende arbeiteten noch etwa hundert Menschen – winzige, für die anderen kaum sichtbare Figuren, die sich mit Hüten und Tüchern vor der Sonne schützten. Das erste Flugzeug flog einmal so niedrig über ihr e Köpfe hinweg, dass sie glaubten, es müsste auf dem Hügel zerschellen. Doch es gewann wieder an Höhe, zog weiter, der Nachmittagssonne zu, und drehte im Westen bei.
„De r kommt hier runter“, rief Lobgott. Einige legten sich vorsichtshalber auf den Boden.
D ie Maschine landete im Bullenkessel , wendete und rollte auf zwei Geländewagen zu, die am Mittelstück warteten , wo der Feldweg begann, der zur Serpentine hinabführte. Als die Propeller schließlich stillstanden, stiegen mehrere Männe r mit geduckten Köpfen aus, ihre Armeemützen festhaltend . Sie trugen lange Mäntel, obwohl es noch immer heiß war.
„Die Deutschen“, sagte Lobgott, der am Feldrand saß, seine wunden Hände über die Knie gehängt. „ Leute von uns, Gott sei’s gedankt. Ist das nun die berühmte Kommission? Guck , Alma, da bringen sie die großen Kisten aus dem Flugzeug.“
„Was ist das? Was ist da drin?“
Lobgott wiegte seinen Kopf abwägend hin und her. „Wisse n tu ich’s nicht. Aber ich würde meinen, da ist die Umsiedlung drin. Da – sieh mal das Reichskreuz, das sie draufgem alt haben… die graue Kiste auf dem Karren vom Ziegelmacher? Das ist sicher etwas Offizielles.“
„Warum haben sie so lange Mäntel an?“
„Komisch, ja, nicht? Dabei ist Sommer.“
Aufruf! Die Regierung des Deutschen Reiches und die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken sind übereingekommen, dass die deutschstämmige Bevölkerung frei und unbehindert auf deutschen Boden ausreisen kann, wenn sie den Wunsch dazu hat.
Wir rufen alle Deutschstämmigen auf, sich beim deutschen Bevöllmächtigten in den angegebenen Orten zu melden und den Wunsch zur Umsiedlung zu äußern!
Alle Deutschen, die das 14. Lebensjahr erreicht haben, können den Wunsch zur Umsiedlung beim deutschen Bevöllmächtigten in persönlicher Meldung (mündlich oder schriftlich) vorbringen.
Für die Ausreise von Kindern bis zu 14 Jahren genügt die Meldung des Familienoberhauptes.
Zur Meldung sollen nach Möglichkeit Urkunden über die Volkszugehörigkeit des Auswanderungswilligen vorgelegt werden.
Wer sich zur Umsiedlung meldet, muß sich beim deutschen Bevöllmächtigten genauestens über die für die Ausreise vorgesehene Ordnung erkundigen.
Der Zugang zum Melde-Lokal (Ort der Registrierung) ist für alle, die auszusiedeln wünschen, unbehindert.
Die Verbindung zwischen Euch und den deutschen Bevöllmächtigten ist frei!
Die Umsiedlung beginnt mit dem 15.9.1940 und wird in kurzer Zeit durchgeführt.
Als deutscher Ortsbevöllmächtigter für die Umsiedlung zu Gorad Bessarabka (ehem. Leipzig) wird Emil Giese, geboren 5. Mai 1885 in Gorad Bessarabka, ehem. Leipzig, russ. Verwaltungsgebiet Bessarabien, benannt.
Gez. Deutsche Umsiedlungskommission Anschakrak , Stab Beresina
Während die Leipziger Frauen mit Kindern und Packen und die Männer mit dem Verkaufen oder Schlachten des Viehs beschäftigt waren, machte Wladi Karriere. Er war nicht mehr Wladi der Schlächt er, sondern Wladi der Schätzer.
Er fuhr
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